Silberband 088 - Der Zeitlose
abgestürzt.«
Ich weiß nich', wie es passiert ist. Auf dem einen Sims habe ich keinen Halt gefunden, weil er ganz voll von Taubendreck war. Ein Schritt zur Seite genügte. Ich kam ins Rutschen.
Der Sturz war nich' schlimm. Ich war ganz leicht. Der freie Platz und alle Gebäude drehten sich um mich.
Doch der Aufschlag hat mich kaputtgemacht. Ich kann mich nich' mehr rühren.
Da lieg ich nun auf den kalten und nassen Steinen. Mein Körper ist ganz verdreht. Ich denke, dass ich was gebrochen habe. Ich liege so, dass ich den Dom sehen kann.
Nun ist alles aus, Kardinal! Der Kleine Arlo ist kaputt, er kann sich nich' mehr um die Sachen kümmern.
Auf dem freien Platz ist es ganz ruhig. Nur die Tauben gurren. Ein paar von ihnen sind ganz in meiner Nähe. Sie picken auf den Steinen rum. Jetzt, da keine Besucher mehr kommen, finden sie schwer was zu fressen.
Der Kardinal hätt' nich' fortgehen dürfen.
Nich' so lange.
Er hat selbst immer gesagt, dass er mich nich' so lange allein lassen darf, wegen meiner Krankheit.
Wenn niemand kommt, muss ich hier liegen, bis ich tot bin. Das ist auch nich' schlimmer, als wenn die Kerle mich finden. Die Aphiliker-Kerle, meine ich.
Es ist gut, dass ich keine Schmerzen habe. Mein Körper ist gefühllos, als wäre er gar nicht mehr da.
Der Dom verschwimmt, als wär' er hinter einer verschmierten Glasplatte. Ich krieg einen trüben Blick. Mein Atem geht kurz und schwach.
»Fosconti!«, flüstere ich. Ich kann nich' lauter sprechen. Hab keine Kraft dazu, außerdem tut's weh. Ich will aber hier nich' liegen und sterben – verdammt! Lange genug hat der Kleine Arlo mit dem Kardinal gearbeitet und auf die Sachen aufgepasst. Das hat er nich' verdient, der Kleine Arlo.
Vor meinen Augen wird es dunkel, aber es wird noch nicht Nacht, das weiß ich.
Ich hör die Glocke schlagen, aber ich weiß nich', wie viel Uhr es ist.
Langur konnte sich nicht erinnern, jemals so schnell reagiert zu haben. Mit einem Ruck schob er LOGIKOR in die Tasche und verließ die Halle mit den Papierpäckchen. Er stürmte die Verbindung hinab in den unteren Teil des Gebäudes.
Atemlos trat er wenige Augenblicke später ins Freie.
»Tatsächlich!«, sagte er. »Da vorn liegt der Eingeborene.«
Er rannte weiter und stand kurz darauf neben dem Abgestürzten. Das Wesen rührte sich nicht. Es blieb lautlos. Wenn es tot ist, dachte Langur mit tiefer Bestürzung, bin ich dafür verantwortlich!
Der Fremde war durch den Aufprall zumindest schwer verletzt worden. Douc Langur war unschlüssig, was er tun sollte. Er wagte nicht, den Eingeborenen anzufassen, denn er befürchtete, ihn auf diese Weise endgültig zu töten.
Das Wesen gab noch schwache Lebenszeichen von sich.
Der Forscher zog LOGIKOR heraus. »Ich nehme an«, sagte er gequält, »dass dieses Geschöpf versucht hat hinabzuspringen. Bei der Schwerkraft dieser Welt musste das zu einer Katastrophe führen.«
»Es musste wissen, welche Folgen ein solcher Sprung haben würde«, entgegnete LOGIKOR. »Wenn es tatsächlich gesprungen ist, hat es völlig emotionell gehandelt.«
»Aus Angst vor mir!« Langurs Stimme war kaum zu vernehmen.
»Es kann versucht haben, an der Außenfläche des Gebäudes hinabzuklettern, und ist dabei abgestürzt«, bemerkte LOGIKOR. »Das halte ich für sehr viel wahrscheinlicher als einen verzweifelten Sprung.«
»Es lebt noch!« Der Raumfahrer zwang sich, seine Gedanken unter Kontrolle zu halten. Wenn er jetzt seinen Gefühlen nachgab, würde er mit Sicherheit Fehler begehen. Damit war niemand gedient.
Langur gab sich keinen Illusionen hin. Sein Versuch, Kontakt mit dem Angehörigen eines fremden, hoch entwickelten Volkes herzustellen, war zu einer Katastrophe geworden. Er hatte viel zu schnell und unüberlegt gehandelt. Seine Handlungsweise war von blindem Egoismus gekennzeichnet gewesen. Getrieben von dem Wunsch, schnell die Wahrheit über die eigene Identität herauszufinden, hatte er sich den Weg zu einer freundschaftlichen Beziehung von Anfang an verbaut.
Was sollte nun werden? Wie würden andere Mitglieder des fremden Volkes reagieren, wenn sie davon hörten, was sich auf dem alten Raumhafen abgespielt hatte?
»Was können wir für den Eingeborenen tun?«, fragte er LOGIKOR.
Die Rechenkugel erwiderte: »Ich stelle fest, dass wir nicht dazu in der Lage sind, weil wir keine Informationen besitzen. Wir kennen nicht den Grad der Verletzungen dieses Wesens, weil wir nichts über seinen Körper wissen.«
»Aber es muss doch
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