Silberband 088 - Der Zeitlose
verschwunden war, musste er annehmen, dass die Verbliebenen sich in einer ungewöhnlichen, vielleicht sogar schrecklichen Situation befanden. Am Ende brauchte der Fremde Hilfe.
Dieser Gedanke ließ Douc Langur nicht mehr los. Instinktiv fühlte er, dass er der Wahrheit sehr nahe kam. Das Gekreische konnte ein Bedürfnis nach Hilfe signalisieren.
Langur stellte einen kühnen Vergleich an. Er hatte das MODUL verloren, der Unbekannte beklagte vielleicht den Verlust seines Volkes. Auf diese Weise waren sie sich ähnlich – etwas verband sie miteinander.
Natürlich war es sinnlos, solche Überlegungen an LOGIKOR weiterzugeben, denn der Rechner konnte mit Abstraktionen nichts anfangen.
»Ich mache einen Test«, verkündete Douc Langur. »Ich begebe mich wieder in diese Halle. Sobald das Wesen erneut kreischt, weiß ich, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen meinem Auftauchen und dem Lärm, den es veranstaltet, besteht. Falls es loslegt, werde ich mich wieder zurückziehen. Wenn es still geworden ist, gehe ich wieder in seine Nähe.« Langur pfiff begeistert. »Das könnte der Anfang einer Verständigung sein. Da das Wesen intelligent ist, wird es merken, dass ich mich jedes Mal zurückziehe, wenn es kreischt. Das ist immerhin eine Basis.«
»Langur-Standpunkte«, erkannte LOGIKOR.
Der Forscher pfiff trotzig. Er klappte die Holztafel in den Korridor und betrat die Halle.
Er sah auf den ersten Blick, dass sein Plan sich nicht ausführen ließ. Der Fremde war nicht mehr an seinem Platz.
Dem Kleinen Arlo macht man nich's vor, mir nich'!
»Die Aphilie ist der Sieg des Bösen über das Gute«, sagte der Kardinal einmal zu mir. »Früher hätte man davon gesprochen, dass Dämonen und Geister die Herrschaft über die Mächte des Lichtes angetreten haben.«
Zweifellos ist dieses Ding ein Dämon. Es steckt mit den Aphilikern unter einer Decke. Die Kerle haben gesagt, geh rauf und hol die Sachen für uns. Der Dämon ist einer von den Kerlen, auch wenn er nich' wie sie aussieht.
Ich beruhige mich etwas, als ich mir das ausdenke. Jetzt ist er wieder draußen auf dem Gang. Vielleicht ruft er Verstärkung. Ich erhebe mich und sehe mich um. Ein besseres Versteck gibt es nich', und der Dämon hat mich sowieso gesehen.
Wenn er wieder reinkommt, werde ich versuchen, ihn zu überwältigen.
Schon der Gedanke macht mir Angst. Aber ich weiß, dass ich dem Kardinal was schuldig bin. Immer war er gut zu mir. Er hat für den Kleinen Arlo gesorgt. Ernst genommen hat er mich, so wie einen richtigen Menschen, wo ich doch krank bin.
Ich hab ganz schwache Knie.
Trotzdem klettere ich an einem Regal bis zur obersten Ablage hinauf. Ich suche mir einen Platz in der Nähe des Eingangs. Hier muss der Dämon vorbeikommen, wenn er noch einmal eindringt. Ich werde mich von oben auf ihn fallen lassen und ihn dabei umreißen. Wenn das noch nicht genügt, um ihn zu vertreiben, werde ich ihn schlagen.
Der Gedanke an das, was ich tun werde, lässt mich zittern, aber er macht mich auch ruhiger. Ich habe nich' mehr so große Angst. Ich rutsche weiter vor, damit ich die Tür genau sehen kann.
Wo ist er jetzt?
Die schönsten Stunden, die der Kardinal und ich verbracht haben, waren drüben im kleinen Büro. Fosconti hat mir dann alles erklärt, was ich sonst nich' verstanden habe. Er sagte, so schlimm ist meine Krankheit gar nich', man muss nur Geduld mit mir haben.
Ich freue mich immer, wenn ich den Kardinal überraschen kann, dass ich was weiß. Wenn ich was gelernt habe, freut er sich. Der Kardinal meinte, dass er bedauert, nich' mehr Zeit für mich zu haben. Vielleicht könnte er ganz allein gewisse Fortschritte erzielen.
Da bewegt sich die Tür!
Ganz klein mache ich mich, damit der Dämon mich nich' vorzeitig entdeckt.
Er sieht ganz merkwürdig aus – so fremd. Er bleibt stehen. Ich kann nich' sehen, dass er Augen hat oder so was. Nich' einmal ein Gesicht hat er.
Wenn er ein bisschen weitergeht, steht er genau unter mir. Zum Glück ist er nich' so groß, dass er sehr stark aussieht. Ich merke, dass mir was über das Kinn läuft. Das ist Blut. Ich habe mir die Unterlippe durchgebissen, damit ich nich' wieder anfange zu schreien. Ein Ton wird genügen, dann weiß er, was ich will.
Plötzlich bewegte er sich.
Aber er kommt nich' auf den Gang zu, der ihm am nächsten ist. Er geht rüber und an den Regalen entlang, als wollte er in alle Gänge blicken. Dann verschwindet er im hintersten Gang.
Da kriege ich ihn doch nich'! Wenn er
Weitere Kostenlose Bücher