Silberband 089 - Sie suchen Menschen
nach, was mit ihrer Mission überhaupt nichts zu tun hatte.
»Robotschiffe geben den Weg frei!«, meldete der Pilot der LYCKOLA. »Ich fliege jetzt den Raumhafen ersten Grades Setalmino auf Taatlon an. Wir werden in einer Stunde landen.«
Betty Toufry reagierte nicht mehr darauf. Schlagartig hatte die Rückkopplung zwischen dem Körper des Multi-Cyborgs und ihrem Bewusstseinsinhalt an Intensität verloren. Eben noch war sie praktisch überall in ihrem Trägerkörper manifest gewesen – und im nächsten Moment hatte sie das Gefühl, als wollte sich ein betäubender Nebel zwischen sie und das Nervensystem des Mucys schieben.
Sie kannte die Symptome, die immer dann auftraten, wenn der Bewusstseinsinhalt eines Altmutanten länger in einem Trägerkörper blieb, als es die Wirkungsdauer der PEW-Injektion eigentlich zuließ. Aber in ihrem Fall war nicht einmal ein Zehntel der Zeit verstrichen.
Betty fragte sich, ob den Medotechnikern auf Gäa bei der Injektion ein Fehler unterlaufen sein konnte. Aber die Teams, die alle wichtigen Einsätze vorbereiten halfen, bestanden aus erfahrenen und erprobten Personen.
Folglich musste es andere Gründe für das Gefühl geben, dass sie allmählich die Kontrolle über ihren Trägerkörper verlor.
Sie konzentrierte sich mit Hilfe einer kurzen Übung und stellte gleich darauf aufatmend fest, dass die Rückkopplung zwischen ihrem und Imps' Nervensystem wiederhergestellt war. Lediglich eine vage Schwäche blieb.
Bericht Tatcher a Hainu
Die SOL hatte ihre Position nahe dem Solsystem verlassen und war in die erste Linearflugetappe eingetreten.
Dalaimoc Rorvic hatte mir erklärt, er wolle während der ersten Etappe meditieren. Ich sollte in der Zeit seinen Säbelzahntiger ausführen. So war ich protestierend losgezogen, hatte mich in einem der Solarien auf die Astgabel eines anscheinend uralten Apfelbaumes gesetzt und Walter umhertollen lassen.
Eine Zeit lang fragte ich mich tatsächlich, woher das Tier wohl stammte. Aber Rorvic war ja kein gewöhnlicher Mensch, sondern der Nachkomme eines auf die Erde verschlagenen Cynos und einer Erdgeborenen. Von dem Cyno hatte er parapsychische Fähigkeiten geerbt, die wir längst nicht alle kannten. Manchmal schlug sogar eine negative Seite seines Cyno-Erbes durch. Dann verwandelte er sich gegen seinen Willen in ein Ungeheuer.
Während dieser Überlegungen schlief ich ein. Als ich erwachte, herrschte Nacht, die Projektionskuppel zeigte einen klaren Sternenhimmel und einen silberweiß leuchtenden Halbmond.
»Mein Gott, Walter!«, entfuhr es mir. Ich rutschte den Stamm hinab, aber der Säbelzahntiger war und blieb verschwunden.
Nach einiger Zeit wurde mir klar, dass ich wohl nicht nur den ganzen Park, sondern womöglich die SOL absuchen musste. Mir blieben noch vierzehn Stunden Zeit bis zum Ende der Linearetappe, so lange würde mein Vorgesetzter bestimmt vor sich hin dösen. Aber wenn er danach nach Walter fragte und ich das Vieh nicht präsentieren konnte, würde er bestimmt sehr ungemütlich werden.
In meiner Not entsann ich mich eines alten Freundes. Ich hatte ihm einmal aus einer großen Verlegenheit geholfen. Vielleicht konnte er sich endlich revanchieren.
Eine Viertelstunde später empfing Afan Kisorsch mich verschlafen in seiner Kabine. »Ich bin müde, Tatcher«, erklärte er. »Was willst du?«
»Ich brauche deine Hilfe, Afan«, sagte ich. »Du bist doch ein berühmter Kyberno-Konstrukteur, nicht wahr?«
Er gähnte. »Hast du mich geweckt, um mich das zu fragen?«
»Ich sagte doch, ich brauche deine Hilfe, Afan. Rorvics Smilodon ist verschwunden, und wenn es mir nicht gelingt, das Biest innerhalb von vierzehn Stunden wiederzufinden, dann verwandelt das leichenhäutige Scheusal mich vielleicht in eine Kröte und setzt mich in einem Tümpel aus.«
»Igitt«, machte Afan. »Ein Marsianer der a-Klasse in einem Tümpel. Etwas Schlimmeres könnte dir kaum zustoßen. Aber die SOL ist so riesig, dass sogar zwei Mann monatelang suchen können und einen einzelnen Smilodon trotzdem nicht finden würden.«
»Nicht suchen – machen!«, entgegnete ich. »Du kannst doch einen Cyborg machen, der wie ein Säbelzahntiger aussieht, oder?«
»Einen Cyborg?«, echote Afan verblüfft. »Du bist schön naiv, Tatcher. Das würde mindestens ein Vierteljahr dauern. Allein die Züchtung des Nervengewebes dauert eigentlich viel länger, aber ich könnte das fertige Nervengewebe einsetzen, das für andere Cyborgs lagert. Dennoch braucht das Wachstum
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