Silberband 089 - Sie suchen Menschen
des Skeletts, der Muskeln und der Organe mindestens ein Vierteljahr.«
»Dann bin ich verloren«, sagte ich niedergeschlagen.
Afan lächelte verschmitzt. »Nicht unbedingt. Der echte Smilodon wird ja irgendwann von selbst wieder auftauchen. Folglich brauchst du den Ersatz nur für die Übergangszeit. Da genügt ein gewöhnliches Robottier mit Stahlplastikskelett, Synthofell und einem kleinen Positronengehirn. Wenn ich sechs Stunden Arbeitszeit am Kyberphysiotron bekomme, schaffe ich das spielend.«
Ich atmete auf. »Du bekommst die Zeit bestimmt«, erklärte ich. »Schließlich bist du eine Berühmtheit. Kannst du sofort anfangen, Afan?«
Er seufzte. »Nur, weil ich tief in deiner Schuld stehe, Tatcher. Aber mein Säbelzahntiger wird sich in einigen Kleinigkeiten von dem echten unterscheiden.«
Ich winkte großzügig ab. »Das macht gar nichts. Rorvic würde die Unterschiede nicht mal sehen, wenn sie direkt ins Auge fielen.«
Bericht Tatcher a Hainu
Da Afan Kisorsch zu dem zahlenmäßig kleinen Personenkreis gehörte, der autorisiert war, mit dem Rechenverbund SENECA-Shetanmargt zu arbeiten, gab es keine Schwierigkeiten, den exakten Bauplan eines Smilodon auf die Arbeitsschablone zu übertragen.
Afan und ich sahen in großen Hologrammen, wie in zahlreichen Arbeitsgängen das Skelett aus Leichtstahlplastik geformt wurde. Gleichzeitig fertigten andere Maschinen aus synthetischem Bioplasmagewebe der Organ- und Gewebsersatzbanken die Muskeln, Sehnen und die zahlreichen Körperorgane wie Herz, Leber, Lungenflügel und so weiter.
Da wir nur eine Übergangslösung anstrebten, kam es nicht so darauf an, ob die Grundmaterialien exakt zusammenpassten. Afan verwendete einfach tiefgefrorenes Nervengewebe, das als Ersatz bei entsprechenden Verletzungen von Menschen dienen sollte. So erhielt der Robot-Säbelzahntiger beispielsweise menschliche Augen – natürlich künstlich gezüchtete –, die lediglich so modifiziert wurden, dass die Nachtsichtigkeit ungefähr der einer Raubkatze entsprach.
Problematischer war die Auswahl eines Gehirns, obwohl wir nur eine Positronik brauchten und in den Ersatzteillagern Tausende von handlichen Positronengehirnen lagerten. Aber wir konnten schlecht das Gehirn eines Kampfroboters oder einer Robotsonde verwenden, da diese Einheiten zu sehr spezifizierte Aufgaben erfüllten. Afan wählte schließlich das Positronengehirn eines Hugoh. Die Abkürzung Hugoh stand für ›Haus- und Garten- oder Hofroboter‹. Davon hatte die SOL wahrscheinlich durch ein Versehen des für die Ausrüstung auf der Erde Verantwortlichen genau dreihundert Exemplare an Bord, für die es jedoch keine Verwendung gab.
Als der Smilodon in die Testkammer stieg, waren von den vierzehn Stunden zwölf verstrichen. Meine Annahme, damit sei alles erledigt, erwies sich allerdings als Irrtum. Zwar sah das Robottier völlig echt aus, doch es bewegte sich wie eine Kreuzung von Dackel und Graugans.
Ich war enttäuscht. »So kann ich das Tier nicht präsentieren«, wandte ich ein. »Es hinkt und schielt, taumelt, als wäre es betrunken, rennt gegen Hindernisse und bellt, anstatt zu brüllen.«
»Ich hatte es nicht anders erwartet«, erwiderte Afan. »Deshalb habe ich von SENECA ein robothypnotisches Schnelltrainingsprogramm erarbeiten lassen. Es wird höchstens anderthalb Stunden beanspruchen.«
Letztlich dauerte es zwar noch zwei Stunden, bis der falsche Säbelzahntiger endlich vom Kyberphysiotron freigegeben wurde, aber dann bewegte er sich beinahe so geschmeidig wie das Original und konnte sogar brüllen, auch wenn das Gebrüll mich an ein Nebelhorn erinnerte. Aber wer auf der SOL hatte jemals ein Nebelhorn gehört?
Wir waren keine Sekunde zu früh fertig geworden, denn kurz darauf wurden Dalaimoc Rorvic und ich über Rundruf ins Hauptlabor für Psycho-Physiologie gebeten. Ich bedankte mich bei Afan, griff in Walters Nackenfell und machte mich auf den Weg zu Rorvics Kabine.
Natürlich schlief der Tibeter noch, als ich seine Kabine betrat. Bevor ich wusste, wie ich ihn wach bekommen konnte, stellte sich der Robot-Säbelzahntiger vor Rorvic hin und riss den Rachen auf. Im ersten Augenblick dachte ich, er wollte dem Mutanten den Kopf abbeißen, aber er brüllte ihm nur ins Ohr. Dalaimoc Rorvic schoss hoch wie eine Rakete, riss einen kleinen Tisch um, sprang hinter die Couch in Deckung und tauchte erst eine halbe Minute später wieder auf.
»Was war das?«, erkundigte er sich.
»Walter hat Sie geweckt«, antwortete ich.
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