Silberband 092 - Das MODUL
hatte ich mich daran gewöhnt. »Außerdem kommt es auf andere Dinge an als auf das Aussehen. Darum ist es unsinnig, wenn du dich hier unten versteckst. Du kannst Vertrauen zu mir haben.«
Wenn ich behauptete, dass ich seine Hand wieder anwachsen lassen konnte, so war das kein leeres Versprechen. Als Metabio-Gruppiererin fühlte ich mich dazu durchaus in der Lage. Früher hatte ich meine Fähigkeiten im Dienst des Mutantenkorps hauptsächlich destruktiv eingesetzt, hatte Leben im Kampf zerstört. Das war einfach – es kostete mich nur einige Gedanken, lebenswichtige Zellkomplexe durch Umgruppierungen regelrecht zur Explosion zu bringen. Nun beschäftigte ich mich jedoch immer mehr damit, meine Gabe für die Erhaltung und Rettung von Leben zu verwenden. Das war weit schwieriger, weil es eine intensivere Beschäftigung mit dem Organismus verlangte. Ich hatte völlig umdenken müssen, aber der Erfolg lohnte die Mühe.
»Reich mir deine kaputte Hand, Antapex!«
Er gehorchte. Mit einer ungelenken Bewegung nahm er die Rechte aus dem Gewand und streckte sie mir entgegen.
Ich traute meinen Augen nicht. Da war kein blutiger Stummel mehr, sondern eine unverletzte Hand. Ich starrte fassungslos darauf.
Antapex kicherte. »Hab ich fein gemacht, nicht? Aber ich kann noch mehr.«
»Was denn?«, fragte ich mit rauer Stimme.
»Das verrate ich dir ein andermal«, sagte er ausweichend. »Kommst du wieder?« Er machte Anstalten, sich in die Tiefe des Lagerraums zurückzuziehen. Ich war noch immer wie benommen und nicht in der Lage, ihn zurückzuhalten.
»Ich werde sehr bald wieder hierher kommen«, versprach ich, aber da war er bereits verschwunden.
Was für ein unglaublicher Mann! Und was für eine fantastische Begebenheit. Ein Eremit auf der SOL? Noch dazu ein Mutant, der ähnliche Fähigkeiten wie ich besaß, aber weit ausgeprägter. Und niemand an Bord wusste von seiner Existenz.
Letzteres erwies sich später jedoch als Trugschluss.
Der Dienst auf der Krankenstation füllte mich völlig aus, ich ging darin auf. Aber an diesem Tag war ich nicht bei der Sache. Meine Gedanken kreisten um Antapex.
Ich musste immer wieder an die Hand denken, die er sich abgebissen hatte – ähnlich wie ein Tier, das in eine Falle geraten war – und die ihm dann nachgewachsen war. Das war vollkommene Regeneration, und er hatte sie allein mit der Kraft seines Geistes gesteuert. So weit hatte ich es in den rund 140 Jahren noch nicht gebracht, in denen ich meine Metabio-Fähigkeit kontrollieren konnte.
Ich musste Antapex wieder sehen. Es ärgerte mich, dass ich unser Treffen nicht genauer fixiert hatte. Aber wer weiß, ob es etwas genügt hätte, einen Zeitpunkt zu nennen, wahrscheinlich existierte in Antapex archaischer Welt der Begriff Zeit überhaupt nicht. Er hatte tatsächlich etwas Archaisches. Unbändiges – etwas Ursprüngliches – an sich. Ein Wilder inmitten des technisierten Universums der SOL.
»Antapex -- woran erinnert mich dieser seltsame Name?«
Ich musste es laut ausgesprochen haben, denn mein Patient sagte erstaunt: »Wieso seltsam?« Er war ein alter Raumfahrer, ein Alt-Galaktiker, der in der Astronomischen Abteilung Dienst tat. »Sie wollen doch nicht behaupten, noch nie etwas von Apex und Antapex gehört zu haben.«
Manchmal ist man wie vernagelt. Ich assoziierte diese Begriffe mit Romulus und Remus, ich weiß nicht, wieso.
»Apex ist in der Astronomie ein unendlich ferner Zielpunkt eines Objekts, etwa der SOL, auf den dieses in seiner Bewegung gerade zusteuert«, klärte mich der Raumfahrer auf. »Antapex ist der Gegenpunkt des Apex und bezeichnet sozusagen die Sterne, die hinter uns liegen …«
»Kennen Sie jemand, der so heißt?«, fragte ich wie nebenbei.
Der Alt-Galaktiker lachte. »Schon möglich, aber dann muss es ein SOL-Geborener sein. Die geben sich nämlich mit Vorliebe Namen aus allen Wissenschaftsbereichen, vornehmlich aus der Astronomie und ihren Randgebieten. Von Albedo über Filament bis Zodiak missbrauchen sie alle Begriffe. Ich kenne einen Assistenten, der sich Gegisster nennt. Das wird Ihnen auf Anhieb nichts sagen. Aber wenn ich Ihnen erkläre …«
Ich hörte nicht zu, sondern konzentrierte mich auf jene Stelle seines Körpers, wo er Schmerzen verspürte. Bei einer vorangegangenen Sitzung hatte ich ein Geschwür in der Magengegend lokalisiert. Ein Medoroboter hatte meine Diagnose bestätigt, worauf ich nicht wenig stolz war.
Jetzt eliminierte ich das Geschwür. Ich gruppierte die
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