Silberband 092 - Das MODUL
verlieh. In den vergangenen Monaten hatte er diesen Impuls oft gespürt, ohne sich über dessen Herkunft klar zu werden.
Bjo spannte die Muskeln, machte einen Buckel und erhob sich. Er wandte den Kopf und lauschte angestrengt. Geräusche, die ein anderer Mensch kaum wahrgenommen hätte, drangen an sein Gehör.
Bjo spürte, dass es an Bord der SOL hektischer zuging als sonst, aber das war angesichts der jüngsten Ereignisse nicht ungewöhnlich. Für die Solaner kam es darauf an, den Datenspeicher des MODULs zu retten. Der COMP, wie die Kaiserin von Therm den wichtigsten Bestandteil des MODULs bezeichnet hatte, enthielt in konzentrierter Form alle Daten, die von den Forschern auf der Großen Schleife gesammelt worden waren. Bei diesen Daten ging es in erster Linie um die Berührungspunkte zwischen den Mächtigkeitsballungen der Superintelligenzen BARDIOC und Kaiserin von Therm.
Das MODUL war wohl auch in der Nähe des Medaillon-Systems vorbeigeflogen, sodass fast jeder an Bord der SOL von der Voraussetzung ausging, dass der COMP über die neuen Koordinaten der Erde verfügte.
Obwohl Bjo Breiskoll ein SOL-Geborener war, brauchte er nur in den Gedanken der Terraner zu lesen, um herauszufinden, wie sehr die Aussicht, die Position der Erde zu erfahren, diese Menschen motivierte.
Bis vor wenigen Tagen hatte es so ausgesehen, als sollte die Sicherstellung des COMPs eine verhältnismäßig einfach zu lösende Aufgabe sein. Aber die Situation zeigte sich mittlerweile anders. Bjo Breiskoll konnte leicht feststellen, dass die Gedanken der Besatzungsmitglieder sich fast ausschließlich mit diesem Problem beschäftigten. Dass die SOL-Geborenen bei ihren Überlegungen zu völlig anderen Ergebnissen kamen als die Terraner, war für den rot-braun gefleckten Katzer nicht erstaunlich.
Der Impuls, der ihn aufgeschreckt hatte, wiederholte sich nicht. Bjo fragte sich, wer oder was ihn ausgelöst haben mochte. Von einem Mutanten oder Fremdlebewesen, die sich an Bord der SOL aufhielten, konnte er nicht kommen, denn deren Gedankenmuster waren Bjo so gut bekannt, dass er sie auch in veränderter Form leicht erkannt hätte.
Bjo huschte lautlos aus seiner Kabine. Seit man an Bord von seinen Fähigkeiten wusste, konnte er sich freier bewegen. Trotzdem erregte er überall, wo er auftauchte, mit seinen geschmeidigen und manchmal kaum zu verfolgenden Bewegungen großes Aufsehen.
Der Katzer hatte sich inzwischen daran gewöhnt. Er hoffte, dass die Meinung seines Freundes und Beraters Joscan Hellmut zutraf, der davon überzeugt war, dass das Interesse sich allmählich legen würde. Um von den Merkmalen abzulenken, die ihn äußerlich von anderen Menschen unterschieden, trug Bjo Breiskoll nur noch hochgeschlossene Kleidung. Damit verdeckte er die Pelzfragmente an verschiedenen Stellen seines Körpers vor allzu neugierigen Blicken.
Vor dem Einstieg des Antigravschachts zögerte Bjo. Sollte er wirklich mit seiner Mutter über seine Probleme sprechen? Er wusste, wie leicht sie zu beunruhigen war. Vielleicht war es in diesem Fall besser, wenn er sich an Komty Wamman, seinen Erzeuger, wandte.
Bjo hatte kein enges Verhältnis zu seinem Vater. Der Mann ging ihm aus dem Weg und benahm sich manchmal, als fürchte er seinen Sohn. Von Joscan Hellmut wusste Bjo, dass es Menschen gab, die Katzen gegenüber eine instinktive Abneigung hegten. War es möglich, dass Komty zu diesen Menschen gehörte und dass er seine Ablehnung auf Bjo ausdehnte?
Ganz anders war Bjos Beziehung zu Lareena Breiskoll, seiner Mutter. Sie hatte ihn erzogen und ihn in seiner frühen Jugend erbittert gegen all jene verteidigt, die ihn wegen seiner Andersartigkeit belästigt hatten. Unwillkürlich tasteten seine telepathischen Sinne nach den mentalen Ausstrahlungen seiner Mutter, und er fand sie unter den vielen tausend individuellen Gedankenströmungen schnell heraus.
Lässig, als hätte die künstliche Schwerkraft an Bord auf ihn keinen Einfluss, sprang Bjo aus dem Stand in den Antigravschacht. Er benutzte die Antigravschächte äußerst ungern, denn entsprechend seiner Fähigkeit, den Bezugspunkt der Gravitation sofort zu erkennen und sich körperlich darauf einzurichten, drehte er sich jedes Mal hilflos um die eigene Achse, bis seine Vernunft über die instinktiven körperlichen Reaktionen siegte und er in einen kontrollierten Zustand des Schwebens überging.
Als er den Schacht drei Decks tiefer verließ, fand er sofort wieder zu seiner gewohnten Sicherheit zurück.
Lareena
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