Silberband 093 - Abschied von Terra
hörte Sailtrit auch das Gluckern von Wasser. Das alles konnte nicht allein vom Schnee auf dem Dach herrühren. Sie stand endgültig auf und trat vor die Tür.
Smith stand da und wandte sich zu ihr um. »Es taut!«, sagte er ruhig. »In ganz Cockermouth. Dabei sind die Temperaturen nicht gestiegen.«
»Wie ist das möglich?«
Er sah sie abschätzend an. »Frag mich etwas Leichteres. Wahrscheinlich handelt es sich genauso um ein unerklärliches Phänomen wie bei dem Lärm, den wir gestern Abend gehört haben.«
»Was ist die Ursache?«
»Keine Ahnung. Aber noch etwas hat sich verändert. Spürst du es nicht?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Die Luft lässt sich schwerer atmen.«
Er hat Recht!, durchzuckte es sie. Seit sie erwacht war, fühlte sie einen dumpfen Druck auf der Brust. Noch hatte sie ihn sich nicht erklären können.
»Was ist mit der Luft?«, wollte Gustafson wissen, der nun ebenfalls nach draußen kam und die letzten Worte gehört hatte.
»Es könnte notwendig sein, Cockermouth wieder zu verlassen«, sagte Smith nachdenklich.
»Mitten in der Nacht?«, stieß Gustafson erschrocken hervor. »Wir würden nicht weit kommen.«
»Ich bin auch nicht sicher, ob das klug wäre«, fügte Sailtrit nachdenklich hinzu. »Warten wir ab, wie es morgen früh aussieht.«
Trotz der Dunkelheit konnte sie erkennen, dass ganze Straßenteile bereits vom Schnee befreit waren. Von den Dächern der umliegenden Häuser rutschte weich gewordener Schnee.
»Unser Schlitten wird Räder brauchen!« Smith schien ihre Gedanken erraten zu haben. »Wenn wir überhaupt noch einmal nach Wordsworth House zurückkommen. Ich habe so ein komisches Gefühl.«
Die Ärztin sah ihn strafend an. Es war unverantwortlich, dass er in Gegenwart Gustafsons solche Bemerkungen machte. Sah er denn nicht, dass Gus immer mehr das Gleichgewicht verlor?
Sie hob ihren Scheinwerfer und leuchtete Smith ins Gesicht. Er war unrasiert und nass, seine Augen glitzerten. Er stieß einen Fluch aus. »Lass das!«, herrschte er sie an. »Wenn jemand das Licht sieht …«
»Das ist mir egal«, gab sie zurück. »Die Menschen sehen ehrlicher aus, wenn sie müde sind. Sie verlieren die Kontrolle über die Masken, zu denen ihre Gesichter geworden sind.«
»Ah«, machte der Mann. »Und was hast du herausgefunden?«
»Ich löse dich jetzt ab«, sagte sie ausweichend. »Es ist kurz nach Mitternacht.«
Er wischte sich über das Gesicht und ging wortlos ins Haus. Sie machte einen Schritt auf die Straße hinaus, damit sie aus der Reichweite des vom Dach rinnenden Wassers kam, und blickte sich um. Vielleicht, dachte sie, hätte sich diese Situation im Zustand der Aphilie leichter ertragen lassen.
Zwischenspiel
Etwa zur gleichen Zeil ereignete sich viele tausend Lichtjahre entfernt in einer anderen Galaxis ein merkwürdiger Unfall. Das heißt, es war viel weniger ein Unfall als eine Katastrophe. Das MODUL der Kaiserin von Therm havarierte.
Die Konsequenzen, die sich aus dieser Havarie ableiten lassen, erscheinen dem Eingeweihten zunächst gewaltig, aber die weitere Entwicklung wird be weisen, dass es gerade diese Katastrophe war, die einen folgerichtigen Fortgang der kosmischen Geschichte erlaubte.
Nachdem für die Besatzung des MODULs feststand, dass dieses für unzerstörbar gehaltene Gebilde nicht in Stand gesetzt werden konnte, verließ sie es. Dieser Vorgang entbehrt nicht einer gewissen Tragik, denn wer die Forscher und ihre kleinen Raumschiffe kennt, der weiß, dass sie niemals eine Chance haben würden, das Ende der Großen Schleife ohne das MODUL zu erreichen.
Zeitgleich mit Bluff Pollards Rückkehr reagierte Alaska Saedelaeres Cappinfragment noch stärker als zuvor. Der Transmittergeschädigte war kein Mann, der sich mit der erstbesten Erklärung zufrieden gegeben hätte. Trotzdem erschien es ihm verdächtig, dass der Organklumpen scheinbar auf Pollard reagierte.
Allein quälte er sich mit diesem Gedanken. Er saß auf einem Felsen und blickte hinüber zu dem kleinen Gleiter, in dem Bluff Pollard schlief.
Schritte knirschten im Geröll. Als Alaska aufsah, blickte er in Kanthalls hellblaue Augen.
»Ich habe dich lang genug beobachtet«, sagte der Anführer der TERRA-PATROUILLE. »Und ich habe bemerkt, dass du Bluff nicht mehr aus den Augen lässt. Warum?«
»Es gibt keinen bestimmten Grund – eher ein Gefühl«, entgegnete Saedelaere achselzuckend. »Ich denke, dass etwas nicht in Ordnung ist. Es muss ja nicht Bluff selbst betreffen.«
»Sobald
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