Silberband 098 - Die Glaswelt
Ort führt!«
»Ohne dass ihr es in Wirklichkeit gesehen habt? Ich meine – nicht im Traum, sondern wirklich, sodass ihr den warmen Sand durch die Finger rinnen lassen und den fruchtbaren Boden greifen könnt? Wollt ihr euch nicht überzeugen, dass das Paradies in Wirklichkeit hält, was der Traum verspricht?«
Mitsino war fassungslos.
»Wollt … wollt ihr das … für uns tun?«, fragte er stockend.
»Wir zwingen niemanden zu seinem Glück. Ihr sollt euch ansehen, was ihr für das Paradies haltet. Erst wenn ihr es mit eigenen Augen geschaut habt und weiterhin überzeugt seid, dass ihr es begehrt – erst dann werden die Götter euch in dieses Paradies bringen.«
»Wer, Erhabener, soll das Paradies sehen?«, fragte Mitsino, immer noch voller Verwunderung, und wiederholte damit die Frage, die Palm an ihn gerichtet hatte.
»Ich schlage vor, dass von jedem Stamm drei Verantwortliche das Paradies mit eigenen Augen sehen und begutachten sollten. Das macht insgesamt dreihundertundsechsunddreißig Mucierer, auf deren Urteil der Rest sich verlassen müsste. Hältst du das für eine sinnvolle Regelung?«
Mitsino wurde immer verwirrter. »Drei von jedem Stamm – das erscheint mir ausreichend, Erhabener«, antwortete er würdevoll. »Aber wie bekommen wir sie alle zusammen? Zumal die Stämme, von denen ich noch nie gehört habe?«
»Ihr könntet Boten aussenden …«
Mitsino erlaubte sich, vorlaut zu sein. »Es muss doch in der Macht der Götter liegen …«
»Es liegt in unserer Macht!«, sagte Palm. »Und wir werden dafür sorgen, dass morgen jeder Stamm weiß, was er zu tun hat.«
»Sag mir, Erhabener, wo liegt das Paradies?«, bat Mitsino. »Wie viele Tage werden wir unterwegs sein, bis wir es erreichen?«
»Unser Sternenschiff wird euch in wenigen Stunden auf jene Welt bringen«, antwortete Palm.
»Euer Sternenschiff!« Die Ehrfurcht und seine Angst waren dem Mucierer anzusehen.
Mitsino berichtete den Männern seines Stammes und den Abge sandten der Toboai, was sie erwartete. Seine Zuhörer waren voller Bewunderung für ihn, der es verstand, mit den Göttern zu sprechen und deren Geheimnisse zu erfahren.
Noch weit wunderbarer war es, dass die Götter in der folgenden Nacht allen Mucierern im Traum erschienen und ihnen sagte, was sie tun mussten, um des Anblicks der Paradieswelt teilhaft zu werden. Sie sagten es so, wie Mitsino berichtet hatte.
Die von jedem Stamm Auserwählten sollten sich, wenn die Sonne zwei Handbreit über dem Horizont stand, am Fuß ihres Felsens aufstellen, und zwar auf der Seite, die von der Sonne beschienen wurde. Dann würden sie von den gläsernen Kugeln der Götter abgeholt werden.
Die drei Auserwählten jedes Stammes mussten die Autorität besitzen, um zum Abschluss der Reise ins Paradies entscheiden zu können, ob ihr Stamm wirklich dorthin auswandern wolle. Jeder Stamm sprach dann mit nur einer Stimme, und diese Stimmen würden gezählt werden. Alle Stämme der Mucierer würden von den Göttern jedoch erst dann in das Paradies gebracht werden, wenn sich bei der Entscheidung wenigstens sechsundsiebzig Stämme dafür aussprachen.
Das war für die Mucierer eine völlig unverständliche Vorgehensweise. Ihr Denken war Stammesdenken, andere Stämme betrachteten sie als ihre naturgegebenen Feinde. Die Vorstellung von einer Nation der Mucierer war ihnen fremd. Niemals hätten zum Beispiel die Iti-Iti etwas getan, nur weil eine ausreichend große Anzahl anderer Stämme dafür stimmte, während die Iti-Iti selbst dagegen waren.
Aber diese Grundsätze hatten nun wenig Gewicht. Alle Mucierer hatten das Paradies gesehen. Keiner konnte sich vorstellen, dass ein Stamm für den Verbleib in ihrer Heimat und gegen die Umsiedlung ins Paradies stimmen würde.
Noch bevor die Sonne aufging, waren die Iti-Iti auf den Beinen. Die Versammlung der Ältesten wurde einberufen. Auch Looja, der Allerälteste der Toboai, war dazu geladen. Er fühlte sich nicht sonderlich wohl in seiner Haut. Wäre er auf seinem Burgfelsen geblieben, hätte man ihn ohne Zweifel auserwählt, den Stamm der Toboai im Paradies zu vertreten. So jedoch würde er die Paradieswelt vermutlich nicht sehen können. Es stand nicht zu erwarten, dass die Iti-Iti einen als Gast unter ihnen weilenden Fremden zu ihrem Vertreter machen würden.
Aber es kam anders, als Looja dachte. Die Ältestenversammlung einigte sich darauf, Mitsino, Megginach und Linkyx zu Vertretern der Iti-Iti zu ernennen. An Mitsino führte kein Weg
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