Silberband 098 - Die Glaswelt
konfrontiert. Es geht um Goshmos Castle, die Nachbarwelt der Erde und Heimat der Feuerflieger. Nach dem Willen von ES soll der Planet schon bald nicht mehr in seiner bekannten Form existieren …
1.
C uster hatte die Innenbahn, und für Preux Gahlmann bestanden keine Zweifel daran, dass sie das Rennen gewinnen würde. Allerdings wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass Fengor eine Robotmaus in das Feld genommen hatte, nicht etwa, um sich an seinen Freunden zu bereichern, sondern aus purem Übermut.
Die fünf Gen-Mäuse kauerten in ihren Startlöchern, sie wirkten leicht ängstlich und versuchten vergeblich, über die mit einer schwachen Energiebarriere abgesicherte Tralje zu springen.
Der Hangaringenieur Gahlmann hatte zehn Solar auf Custer gesetzt.
Das Rennen fand in Fengors Labor statt, es hatte sozusagen einen halb offiziellen Status. Natürlich gab es an Bord der SOL keine Mäuse, die fünf oder sechs Tierchen, die beim letzten Aufenthalt im Medaillon-System an Bord geschmuggelt worden waren, lebten längst nicht mehr. Aber Fengor, der eine Schwäche für genetische Spielereien hatte, war in den Besitz eines Stückchens Mäuseschwanz gelangt, und das hatte ihm genügt, um diese fünf – eigentlich nur vier, wie sich innerhalb der nächsten Minuten herausstellen sollte – Gen-Mäuse zu züchten.
Custer war dunkelbraun, schlank und langbeinig, sie besaß lange seidige Schnurrbarthaare und einen kurzen nackten Schwanz. Neben ihr waren Lordy, Fantom, Ark und Über-Bär in die Startlöcher eingeklemmt. Der fette Über-Bär hatte offensichtlich Atemschwierigkeiten, aber Gahlmann ließ sich davon nicht beeindrucken. Es war durchaus möglich, dass die Fettleibigkeit des Mäuserichs einer von Fengors Tricks war.
»Fertig?«, erkundigte sich Fengor. »Noch kann gesetzt werden.«
Die Assistenten des Molekularbiologen nickten.
»Los!« Fengor klappte die Startleiste nach oben.
Der Start war eine lahme Angelegenheit, denn keine der Mäuse schien zu wissen, was von ihnen erwartet wurde. Dann schoss Lordy in die Spur und gewann sofort einen beträchtlichen Vorsprung.
Gahlmann beugte sich ärgerlich über den Rennkasten und klopfte mit der Faust dagegen. »Custer!«, feuerte er seine Favoritin an. »Willst du endlich laufen!«
Die Maus setzte sich humpelnd in Bewegung – leider in die entgegengesetzte Richtung, was von Fengors Mitarbeitern johlend begrüßt wurde. Gahlmann strich die zehn Solar von seiner Habenseite und beobachtete mürrisch den Ausgang des Rennens.
Lordy huschte als Erste über die Ziellinie, erst Sekunden hinter ihr tappte Über-Bär über die schwarze Markierung.
»Seht her!«, sagte Fengor und holte Lordy mit einem Griff aus dem Rennkasten. Er klappte den Bauch der Maus auf und zog einen kleinen Motor hervor.
»Du alter Gauner!«, schimpfte Gernot Boysen. »Das ist überhaupt keine Gen-Maus. Ich lege Protest ein.«
Fengor sammelte die vier Gen-Mäuse ein und steckte sie in ihren Käfig. »Ich werde euch sagen, was …«
In diesem Moment betrat Premisch Dorgon das Labor. Er war der Sektionsleiter des Labortrakts, ein hoch aufgeschossener SOL-Geborener von zweiunddreißig Jahren. Gahlmann beobachtete, dass die bleiche Gesichtshaut des Wissenschaftlers von Flecken durchsetzt war.
»Immer für ein Spielchen aufgelegt, was?«, rief Dorgon ironisch.
»Ich weiß nicht, was du dagegen einzuwenden hast«, entgegnete Fengor. Er war nicht nur äußerlich das krasse Gegenteil von Dorgon. Seine oft rauen Späße waren der Anlass vieler Diskussionen der SOL-Geborenen, die hier in der SOL-Zelle-1 arbeiteten. Fengor war untersetzt und muskulös. Seine kleinen Augen hinter den wulstigen Brauen verliehen ihm einen listigen Eindruck.
»Gen-Experimente außerhalb des offiziellen Programms sind verboten!«, herrschte Dorgon ihn an. »Gib mir die Mäuse, ich werde sie wegschaffen.«
»Wegschaffen? Du meinst, du wirst sie in einen Konverter werfen?«
»Genau das ist meine Absicht!«
Fengor blickte auf den Käfig, als müsse er stumme Rücksprache mit seinen Züchtungen halten.
»Du bekommst sie nicht!«, erklärte er, als er wieder aufschaute.
»Das ist ein Befehl!« Dorgons Blässe schien sich noch zu vertiefen.
Gahlmann stellte sich zwischen die beiden. Er hatte das untrügliche Gefühl, dass sowohl Dorgon als auch Fengor bereit waren, eine gewisse Grenze zu überschreiten – und das musste er verhindern.
»Korrekt gesehen bin ich der Ranghöchste unter den Anwesenden«, verkündete
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