Silberband 099 - Treibgut der Sterne
dich an denselben Dingen erfreuen, an denen sich er erfreut. Du wirst dieselben Feinde hassen, dieselben Freunde lieben … Nein, lieben wirst du nicht.«
»Wieso werde ich nicht wie mein Elter lieben?«
»Doch, du wirst lieben wie er. Aber zu reiner Liebe ist dein Elter nicht fähig … Du wirst nach Macht streben wie er.« Prether unterbrach sich. Dann fügte er hinzu: »Was in Tests erst bewiesen werden muss.«
Seine Welt wurde von einer hohen Wand aus Formenergie begrenzt. Dahinter lag Wildnis. Einen Tagesmarsch im Süden endete der Dschungel, begann bergiges Land aus Lavagestein. Es sah aus wie ein im Fließen erstarrter Brei. Schwarzbraun. Löchrig. Scharfkantig. Dazwischen Feuer speiende Berge. Manchmal trieb der Wind Rußwolken bis über seine Welt. Es machte ihm kindliche Freude, im Ascheregen zu baden, doch Prether verstand das nicht.
»So sollte dich dein Elter nicht sehen. Er würde sonst daran erinnert, dass er ebenfalls einen starken Spieltrieb hat. Natürlich unterdrückt er diese Veranlagung. Oder sie äußert sich in blutigen Arenaspielen.«
»Wann bekomme ich meinen Elter zu sehen?«
»Zuerst die Tests.« Prether wechselte sofort das Thema. »Willst du dich jenseits der Mauer umsehen?«
Natürlich wollte er. Er wollte das Unbekannte entdecken. Und dazu gehörte sein Ich.
Prether hatte ihn auf einer Lichtung ausgesetzt. Er sah viele Tiere, für die er in seinem Gedächtnis keine Namen fand. Weil dies nicht die Welt seines Elternteils war. Er hatte nur einen Elter, obwohl er einem zweigeschlechtlichen Volk entstammte. Im Grunde genommen war er nicht jemandes Sohn, sondern dessen Ableger.
Bald wurde es ihm zu langweilig, die Tiere zu beobachten und ihnen Fantasienamen zu geben. Er erhob sich und wollte die Lichtung verlassen. Doch eine unsichtbare Barriere hielt ihn zurück. Unwillkürlich verglich er die Dschungellichtung mit einer Arena.
Links von ihm war eine Bewegung, eine zerlumpte Gestalt tauchte auf. Es war ein Lare. Er selbst hatte nie zuvor einen Laren gesehen, aber von seinem Elter stammte alles Wissen über dieses Volk des Konzils der Sieben. Und ein geheimer Hass auf sie.
»Endlich!«, sagte der Lare. »Ich bin gerettet. Ich hätte nicht gehofft, hier auf einen Überschweren zu treffen.«
»Bist du allein?«, fragte er. Als der Lare das bejahte, wollte er wissen, wie der Fremde hergekommen sei.
Aras hatten den Mann verschleppt. Vorher betäubt. Er hatte sich übergangslos auf dieser unbekannten Welt wiedergefunden.
»Diese Welt hat einen Namen«, sagte er. »Genkoder.«
»Seltsamer Name.«
»Keineswegs. Er kommt von ›Kode der Gene‹. Die Aras entschlüsseln hier genetische Kodes, dieser Forschungsarbeit verdanke ich mein Leben.«
»Aras?« Der Lare schien misstrauisch zu werden, jedenfalls betrachtete er ihn genauer. »Aber – bist du nicht Leticron?«
»Ich habe noch keinen Namen.«
»Du bist der Erste Hetran Leticron. Ich täusche mich nicht.« Der Lare wich langsam vor ihm zurück. In seinen grünen Augen zeigte sich Begreifen. »Du arbeitest mit den Aras zusammen, die mich entführt haben. Ist das ein Komplott?«
Für ihn klang das verwirrend. Seine Verwirrung wuchs sogar und artete in Ärger aus. Er hasste die Laren insgeheim, musste seinen Hass aber für sich behalten, um Hotrenor-Taak und seinesgleichen zu täuschen, um weiterhin an ihrer Macht teilhaben zu dürfen … Das waren Informationen, die ihm sein Elter vererbt hatte.
»Du – ein Verräter, Leticron?« Das waren die letzten Worte des Laren.
Prether und die anderen Aras tauchten auf der Lichtung auf. Zufrieden, wie es schien.
»Das war ein Test«, verriet Prether. »Die Fähigkeit des tödlichen Hasses hast du von deinem Elter ererbt. Er wird stolz sein, wenn er das hört. Die Testergebnisse werden ihm gefallen.«
Außer dem einen Laren hatte er bisher nur Aras zu Gesicht bekommen, jetzt sah er ein halbes Dutzend Überschwere die Kuppel betreten. Prether hatte ihn kurz vorher geweckt und gesagt, ein Raumschiff sei gelandet. Er sollte den Eingang der Forschungskuppel beobachten.
Nun sah er sechs Überschwere.
Und einer von ihnen war er selbst!
Er lief zu Prether und berichtete aufgeregt von seiner Entdeckung.
»Das war dein Elter Leticron. Du bist sein genaues Ebenbild. Nicht nur äußerlich, sondern auch psychisch.«
Die Tür ging auf, und Leticron trat ein. Er ging um ihn herum, betrachtete ihn kritisch. »Bei Titan!«, rief er schließlich aus. »Man könnte ihn für mich halten. Komm,
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