Silberband 100 - BARDIOC
den Druck der unvollkommenen Sonnen draußen im Weltraum. Gravitationsfelder umtosten die Ebene und zerrten an ihr, doch sie hing unverrückbar im Nichts, wo sie von einer Macht errichtet worden war, von der Bardioc nicht einmal den Namen kannte.
Sicher war die Ebene nicht der ideale Treffpunkt, allein nach ihren technischen Gegebenheiten beurteilt, war sie zu alt und unkalkulierbar. Ihre psychologische Wirkung war jedoch unvergleichlich. Bardioc erschauerte jedes Mal unter der Wucht des Eindrucks, den diese Umgebung auf ihn machte: Auf dieser schier endlosen Fläche im Nichts schien die Zeit gefangen zu sein, dieses mächtige Gebilde erweckte den Anschein, im Rhythmus der Ewigkeit zu atmen.
Dennoch würde die Ebene eines Tages zerfallen, zernagt und zermürbt von den Gewalten der nahen Sonnen, von ihren Strahlenschauern, den Gravitationsstürmen und Hitzefluten. Laire würde dann immer noch hier sein – ein robotischer Krüppel, einsam und schweigend, das ihm verbliebene Auge auf das Bild der Zerstörung gerichtet. Er würde das Geheimnis seiner Herkunft mit in den Untergang nehmen.
Ich kann es nicht tun!, dachte Bardioc.
Wahrscheinlich hätte er aufgegeben, wenn einer der sechs Brüder schon vor ihm da gewesen wäre. Aber noch war er allein.
Kaum, dass der Ruf an ihn ergangen war, hatte Bardioc seinen Lebensbereich verlassen und war zu der Ebene aufgebrochen. Er hatte gewusst, wie ihm nach seiner Ankunft zumute sein würde, und sich entsprechend beeilt. Nun war er allein hier und hatte Zeit, seine Gedanken zu ordnen und die psychische Kraft zu sammeln, die er brauchte, um seinen Plan zu realisieren.
Bardiocs lichtdurchfluteter Körper ließ mit jeder Bewegung erkennen, dass sich in ihm Kraft, Mut, Intelligenz und ungezügelte Wildheit vereinten. Er schüttelte das wallende Haar zur Seite. Obwohl er sicher sein konnte, als Erster auf der Ebene materialisiert zu sein, sah er sich mit glühenden Augen um. Er durfte keinen Fehler begehen. Falls die anderen von seinen Absichten erfuhren, würden sie ihn gnadenlos bestrafen.
Ein ketzerischer Gedanke beschäftigte ihn. Hatte jemals einer der Mächtigen einen solchen Plan ins Auge gefasst? Vielleicht der kleine Ganerc? Oder der düsterte Partoc?
Keiner hätte je den nötigen Mut und die Initiative aufgebracht, dachte Bardioc überzeugt. Sie meditierten in ihren Kosmischen Burgen, bis der Ruf an sie erging.
Der einäugige Roboter kam näher und berührte Bardiocs Körper. Unwillkürlich zuckte der Mächtige zusammen. Vielleicht, sagte er sich, konnte Laire Gedanken lesen.
»Du bist Bardioc, ich habe dich erkannt«, sprach Laire die Begrüßungsformel.
Entgegen seiner Gewohnheit versuchte Bardioc nicht, den Roboter in ein Gespräch zu verwickeln. Er fürchtete, sich schon durch eine winzige Kleinigkeit zu verraten.
Bardioc wusste nichts über die Macht, der er diente. Vielleicht existierte sie nur jenseits der Materiequellen und würde für ihn und seine Brüder im Bund der Zeitlosen stets unerreichbar bleiben.
Im Vergleich zu den Heimstätten der anderen wirkte Bardiocs Kosmische Burg armselig. Auch wenn nie darüber gesprochen wurde, hatte er doch den Eindruck, dass er deshalb als minderwertig angesehen wurde.
Ich werde es ihnen zeigen!, dachte er grimmig.
Er war nicht gern in seiner Burg, sie bedrückte ihn mit einem Gefühl des Gefangenseins, dass seine Pflichtmeditationen eher düstere Visionen als heitere Gedankenspielereien waren. Doch nun war der Ruf wieder ergangen, und Bardioc war entschlossen, niemals in seine Burg zurückzukehren.
Er wandte sich von Laire ab und schritt die Ebene entlang. Sobald die anderen eintrafen, würde er schnell zurück sein, um sie zu begrüßen.
Bardioc war sich darüber im Klaren, dass er zur Realisierung seines Planes unendlich viel Zeit und Geduld aufbringen musste, doch das verheißungsvolle Ziel rechtfertigte alle Anstrengungen. Als er zurückblickte, konnte er Laire nur mehr verschwommen erkennen, die Gestalt des Roboters schien mit dem Sockel der Unberührbarkeit zu verschmelzen. Lorvorc, einer der sechs anderen, hatte oft behauptet, die Ebene sei nichts als eine optische Täuschung, eine im Traum manifestierte Illusion, an der nur Laire echt sei. Nun, da er die Ebene hinabschritt, erschien sie Bardioc keineswegs illusionär.
Er blickte zu den brodelnden Sonnenmassen hinaus. In ein kosmisches Gebiet ähnlich diesem würden er und seine Artgenossen demnächst aufbrechen, jeder für sich an Bord seines mächtigen
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