Silberband 101 - Eiswind der Zeit
Margor im Vorbeigehen sah, der wandte sich wohl ein- oder zweimal nach ihm um und wunderte sich darüber, warum der Mann Kleidung trug, die seinen Misswuchs eher betonte als verhüllte. Aber dieser Eindruck war nicht bleibend. Im Zeitalter der galaxienweiten Raumfahrt gab es Gestalten, die weitaus ungewöhnlicher wirkten als Boyt Margor.
Um den Hals trug er an einem metallenen Ring ein Amulett aus einem klobigen unbehauenen Mineral. Ring und Mineral waren türkisfarben wie Margors Haar. Erst wer das Amulett konzentriert betrachtete, erfuhr, dass es ein Geheimnis enthielt.
Der Mutant Boyt Margor saß an der Stirnseite eines länglichen Tisches. Zu beiden Seiten warteten etwa ein Dutzend Männer und Frauen, deren Blicke unverwandt auf ihn gerichtet waren.
»Ich habe vor Kurzem erfahren, dass NATHAN sich abermals selbstständig gemacht hat und außerhalb menschlicher Kontrolle an einem Programm arbeitet, das anscheinend spätaphilischen Ursprungs ist.« Boyt Margor sah seine Zuhörer der Reihe nach an. »Man mag über die Aphiliker denken, wie man will, aber wenn es darum ging, die militärische Macht der Erde zu stärken, dann dachten die Kinder der Reinen Vernunft wie wir heute. Deswegen, meine ich, kann das Programm, das soeben auf Luna angelaufen ist, nur in unserem Sinn sein.«
Er unterbrach sich und spielte gedankenverloren mit seinem Amulett.
»Wichtig ist natürlich, dass wir das Programm unter unsere Kontrolle bekommen. Da wir nicht wissen, worum es geht, können wir nicht sagen, was von uns verlangt werden wird. Ich stehe jedoch in zuverlässiger Verbindung mit einem der Unseren, der mir alle erforderlichen Informationen zukommen lassen wird.«
Payne Hamillers Name fiel nicht. Doch es gab mehrere unter Margors Zuhörern, die wussten, dass nur Hamiller gemeint sein konnte.
Ohne ein Wort miteinander zu sprechen, verließen sie den spärlich eingerichteten Raum wieder. Der Mutant blieb allein zurück. Der Raum war einer von mehreren Dutzend, die er an allen wichtigen Orten der Erde als Versammlungszentren eingerichtet hatte. In den wenigen Wochen seit seiner Landung auf Terra hatte Boyt Margor ein Agentennetz mit erstaunlichem Umfang geschaffen. Das alles, ohne dass die terranischen Behörden auch nur von einer Verschwörung ahnten. Die Leute, mit denen er arbeitete, standen unter seinem Bann. Ihre Psi-Affinität machte sie zu seinen willigen Opfern.
Boyt Margor war ein erbitterter Gegner der Pläne, auf ein neues terranisches Imperium für immer zu verzichten. Ein Postulat der Philosophie, die der Mutant für sich selbst entwickelt hatte, lautete, es solle ein jedes Volk nach so viel Macht streben, wie es erlangen und verteidigen konnte. Da ihm nicht entging, dass die öffentliche Meinung jedoch auf der Seite der Regierung stand, wusste er, dass er seine Ziele nur mit einem gewaltsamen Umsturz erreichen konnte.
Der Zeitpunkt dafür war nicht ungünstig. Die Administration hatte sich erst in ihren höchsten Rängen organisiert. Regionale und örtliche Behörden waren im Entstehen begriffen und würden frühestens in einigen Monaten voll funktionsfähig sein. Außerdem glaubte Margor, dass jener Teil der öffentlichen Meinung, der die Regierung nicht unterstützte, weitaus größer sein musste, als es den Anschein hatte. Unter den Unzufriedenen suchte er seine Anhänger.
Die Entwicklung auf Luna hatte er nicht vorhersehen können. Die ganze Zeit über war seine Aufmerksamkeit auf ein anderes Vorhaben gerichtet gewesen. Payne Hamiller hatte ihm von den nahezu sensationellen archäologischen Funden auf der Mittelmeerinsel Kreta berichtet. Der Wissenschaftler Czerk Matzlew und seine Mannschaft waren auf die Überreste einer prä-minoischen Kultur gestoßen, die in einer nicht enden wollenden Folge von Schichten bis in die Zeit unmittelbar nach dem Untergang des lemurischen Tamaniums hinabreichte. In den ältesten schriftlichen Aufzeichnungen war die Rede von einem Wesen oder Ding namens PAN-THAU-RA, das wiederholt Unglück über die Bewohner der Erde gebracht hatte.
PAN-THAU-RA wurde als schrecklich und riesig beschrieben, aber ob die Prä-Minoer sich darunter ein Ding oder eine Gottheit vorgestellt hatten, konnte er nicht erkennen. In Boyt Margors Bewusstsein stand jedenfalls das Bild eines Etwas, das ihm bei seinem Streben nach der Macht behilflich sein konnte.
Andere hätten solche Gedanken als haltlose Fantasie betrachtet. Boyt Margor hütete sich, derart voreilige Schlüsse zu ziehen.
Der kleine
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