Silberband 101 - Eiswind der Zeit
zweckentfremdet worden. Auf dem dunkelblauen Teppich lagen mehrere dicke, runde Matten, Geschenke der Frauen des Hetmans, geflochten aus weichgekochten Gräsern des Planeten. Darauf standen Sessel, das Bett, eine Schreibplatte aus Terkonitstahl. An den schrägen Wänden hingen farbige Plakate und vergrößerte Fotos, Borl hatte sie mit farblosem Lack fixiert.
Das war seine Welt. Etwas introvertiert, aber farbig und lebendig. Einer der größten Interkomschirme, mehrere Lampen und ein Einbauschrank, ebenfalls ein Triumph der Improvisation über das langsam verfallende Raumschiff, vervollständigten das Mobiliar. Vor der weit offenen Luke befanden sich wie an allen anderen Öffnungen starke Gitter und ein Insektennetz.
Borl wählte ein Musikprogramm und setzte sich in den abgenutzten schweren Sessel, kippte ihn nach hinten und schloss die Augen. »Vielleicht kommt ein Sammlerschiff und holt uns ab«, sagte er leise und nachdenklich zu sich selbst. »Das wäre das schönste Geschenk seit einem Jahrhundert.«
Hy, wie ihn wenige Freunde nennen durften, machte sich keine Illusionen. Zumal die Hyperfunkanlage nur noch empfangen, aber nicht mehr senden konnte. Eine Reparatur war unmöglich.
Irgendwann musste er eingeschlafen sein. Jedenfalls wachte Hytawath Borl auf, als ein Glas klirrte. Langsam öffnete er die Augen und sah vor der feuerrot ausgeleuchteten Luke die Gestalt Meraldas. Poolbor, die düstere Sonne, ging unter und verwandelte den Horizont in ein Meer aus Blut und Flammen.
»Ist in der Siedlung wieder alles ruhig?«, fragte er leise und richtete sich auf. Meralda nickte und stellte die Flasche ab, die sie mitgebracht hatte.
»Kleine Gruppen patrouillieren entlang des Zaunes. Es war ein wilder Albtraum, Hy.«
»In einigen Tagen bringen Rrussus Leute neues Gemüse. Vielleicht auch Fleisch. Ich habe ihm einen Strahler und etliche Energiemagazine geschenkt.«
»Musste das sein? Wir haben nicht zu viel Waffen.«
»Wir haben mehr Waffen als Essen. Zumal er für jeden von uns mindestens ein Kilo Fleisch mitbrachte.«
»Ich werde es Voin erklären.«
»Erklären oder nicht, das ändert nichts an den Tatsachen. Ohne die Eingeborenen könntet ihr eure Herrschaft keine zehn Tage lang halten.«
»Hast du noch immer etwas dagegen …?«, fragte sie ausdruckslos.
»Es interessiert mich nicht. Ich tue nur meine Pflicht und habe keine Ambitionen, deine Nachfolge anzutreten. Gibt es Neues im Funkverkehr?«
»Wir haben aus den unterschiedlichsten Fragmenten, glaubt Voin, ein zutreffendes Bild zusammenstellen können. Roi Danton und Julian Tifflor setzen überall in der Milchstraße Sammlerschiffe ein.«
Seit der ersten aufgefangenen Meldung, die vom Ende der Larenherrschaft berichtete, bereitete sich Hytawath darauf vor, den höllischen Planeten verlassen zu können. Aber er sprach nicht einmal mit Meralda darüber.
»Die Schiffe sollen verstreute Siedler abholen und zur Erde bringen. Es kann sein, dass ein Schiff oder mehrere hier in der Nähe operieren.«
Meralda war nervös und gereizt, das sah Borl auf den ersten Blick. Mit einiger Sicherheit gab es wieder Probleme, die er noch nicht kannte. Er ging zu ihr hin und legte ihr seine Hände auf die Schultern. »Du scheinst Sorgen zu haben?«
Sie nickte. »Keine Sorgen, die wir Koyle nicht bald hinter uns haben könnten«, erwiderte sie stolz. »Es geht nur um die beiden Sektierer. Ihre Sympathisanten sind doch nichts als eine amorphe Masse ohne eigene Meinung.«
Die Nacht brach herein. Vielleicht stellte sich wieder jene Verzauberung ein, die Hytawath als Erinnerung an die ersten Tage ihrer Verliebtheit empfand. Er war skeptisch.
»Macht euch Donar Welz Schwierigkeiten, Meralda?«
»Welz und seine Anpasser tun ja nichts. Sie predigen Passivität. Aber das weißt du fast so gut wie ich.«
Unter seinen Fingern spürte Hytawath die Muskeln der jungen Frau. Sie waren hart und verkrampft. Ein Zeichen dafür, dass die lautlose Krise auch die selbstherrlichen Zwillinge Voin und Meralda Koyle erfasst hatte. »Ich weiß«, sagte er zögernd.
Die ›Anpasser‹ waren eine Gruppe von nicht mehr als sechshundert Leuten. Welz, der von seiner eigenen Theorie wenigstens heute nicht sonderlich überzeugt gewesen war, predigte seinen Anhängern, dass sich niemand gegen die Angriffe des Ringes der Gewalt wehren sollte, dann würde die Angriffslust nachlassen und schließlich ganz aufhören.
»Wenn dem Herrscherpaar Koyle die Anpasser keine Schwierigkeiten machen, dann kann
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