Silberband 106 - Laire
er an der Spitze der größten loowerischen Flotte, die jemals aufgestellt worden war, vor vielen Jahren aufgebrochen. Mithilfe des Auges hatte er die Materiequelle passieren und dem unheimlichen Gegner, von dem die Loower sich bedroht fühlten, eine militärische Lektion erteilen sollen.
Dabei hatte sich herausgestellt, dass das Auge nur der Schlüssel für eine einzige Materiequelle war. Die von den Loowern entdeckte Materiequelle ließ sich damit nicht durchqueren.
Bei dem Gedanken, wie lange sie brauchen würden, um die richtige Quelle zu finden, überkam den Türmer ein Schwindelgefühl. Groden-Loran riss sich von diesen trübsinnigen Überlegungen los und konzentrierte sich auf die Ankömmlinge, die das Recht hatten, dass man ihren Stolz respektierte.
Kommandant Zuhlen-Orb blieb vor der Delegation stehen. Seine Stummelschwingen waren verfärbt und zerfurcht, deutlich sichtbare Zeichen hohen Alters. Seinem Gesichtsausdruck war jedoch nicht zu entnehmen, wie sehr er unter dem verpfuschten Abschluss seines ansonsten erfolgreichen Lebens litt.
»Wir bringen das Auge zurück, Türmer!« Er reichte Groden-Loran den Kasten, und dieser hielt ihn ein wenig ungeschickt in den Händen, als wüsste er nichts damit anzufangen.
»Kommandant, das loowerische Volk ist dir zu großem Dank verpflichtet«, sagte der Türmer bewegt.
»Wofür?« Zuhlen-Orb ließ seiner Bitterkeit freien Lauf.
Die Frage ging im zögernden Beifall unter. Groden-Loran trat unter dem Regenschutz hervor. Nachdem er den Kasten mit dem Auge darin an einen seiner Begleiter weitergereicht hatte, umarmte er Zuhlen-Orb und dessen Stellvertreter.
Später, beim inoffiziellen Teil der Zeremonie, saß er mit Zuhlen zusammen im Turmtreff von Urzurk-Urzurkan. Sie plauderten so zwanglos miteinander, wie das bei zwei Loowern von so unterschiedlichem Rang und unterschiedlicher Ausbildung nur möglich war.
»Deine Arbeit war nicht umsonst«, versuchte der Türmer Zuhlen zu trösten. »Wir wissen nun, welche Aufgabe wir wirklich zu bewältigen haben. Es gilt, die richtige Materiequelle zu finden. Wir werden unter den dafür geeigneten Personen einen Loower mit überragenden Qualifikationen auswählen.«
Der Türmer konnte nicht wissen, dass er mit diesen Worten die Wahl für den ersten Quellmeister einleitete.
Zuhlen-Orbs düstere Stimmung besserte sich nicht. »Was für einen Sinn hätte das?«, fragte er. »Bis wir die richtige Quelle gefunden haben, wird uns dieses Auge zum Verhängnis werden.«
»Ein berechtigter Einwand«, gab Groden-Loran zu. »Es ist durchaus möglich, dass der rechtmäßige Besitzer des Auges uns auf die Spur kommt.«
Zuhlen gab ein klagendes Geräusch von sich. »Immerhin ist Kumor Ranz jetzt nicht mehr die einzige tragische Figur in der loowerischen Geschichte. Er hat in mir einen Schicksalsgenossen gefunden.«
»Was ihr beide getan habt, war nicht umsonst«, wiederholte der Türmer mit Nachdruck. Er blickte durch die Trennscheibe hinaus auf ein am Turmtreff vorbeiführendes Schwebeband. In jeder Minute wurden dort Tausende von Loowern vorbeigetragen. Das war das Tröstliche an dieser Sache, dachte der Türmer, dass das Leben weiterhin einen Verlauf nahm, als wäre nichts geschehen. Die meisten Loower dort draußen ahnten nicht einmal etwas von den schicksalhaften Vorgängen in ihrer Nähe.
»Ich glaube, dass wir das Auge verstecken müssen«, sagte Groden-Loran nachdenklich. »Jedenfalls bis zu dem Augenblick, da wir die richtige Materiequelle gefunden haben.«
»Wo wollen wir es hinbringen?«, erkundigte sich Zuhlen, von der vagen Hoffnung beseelt, dass man ihn damit beauftragen könnte.
»Auf eine Welt, auf der keine Intelligenzen leben. Es gibt genügend jungfräuliche Planeten in den verschwiegenen Seitenarmen jener Galaxie, die als Versteck infrage kommen.«
Zuhlen-Orb wagte nicht zu fragen, ob er diese Mission übernehmen könnte, und Groden-Loran wagte nicht, ihm jetzt zu sagen, dass er zu alt dafür war. Beide spürten, dass sie einander nichts mehr zu sagen hatten. Wie auf ein heimliches Signal hin erhoben sie sich.
»Gutes entelechisches Denken, Türmer«, verabschiedete sich der Kommandant.
Groden-Loran murmelte eine Antwort, die einen ähnlichen Sinn besaß, aber das hörte der Raumfahrer schon nicht mehr. Er ging davon, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.
Jedes Mal, wenn Muden-Sprengan sich der Neunturmanlage auf Alkyra-II von außen näherte, wurde er von dem Gefühl überwältigt, dass er einem Zweig der
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