Silberband 107 - Murcons Vermächtnis
dem Meer – und das ist hier der Fall«, antwortete Nistor. Sie benutzten beide die Sprache der Loower. Baya spürte, dass Nistor sie seit einiger Zeit für eine Loowerin hielt. Es musste mit seinen Schäden zusammenhängen. Der Roboter berücksichtigte zwar ihre terranischen Lebensbedingungen, konnte aber daraus keinen weitergehenden Schluss ziehen.
»Aber wahrscheinlich können wir hier nicht lange bleiben«, fuhr der Helk Augenblicke später fort. »Ich orte drei Raumfahrzeuge, die sich unserem Standort vom Meer aus nähern.«
Er zerfiel wieder in seine Segmente. Eines davon konstruierte sich um und wurde zu einer Kugel mit durchsichtiger oberer Hälfte – eine bequeme Sitzmulde für Baya. Der Rest blieb massives Material, transmitermische Kompaktstrukturen.
Die übrigen acht Segmente verschwanden sehr schnell aus Bayas Blickfeld.
Sie wartete darauf, dass ihr Segment ebenfalls Deckung suchte. Andererseits empfand sie keine Furcht und wäre bereit gewesen, die Ankunft der Raumschiffe abzuwarten.
Die drei Schiffe fächerten auf, als wollten sie den Berg umschließen. Sie waren größer als das Rückführerschiff, das Baya zur Erde gebracht hatte. Das Mädchen schätzte jeden der Kugelriesen auf dreihundert Meter Durchmesser. Das waren keine Raumschiffe von Siganesen.
Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, nahm ihr Segment Fahrt auf. Es sank in einen kleinen Talkessel hinab und schwebte durch den Eingang einer uralten Höhle tiefer in den Fels. Nach einiger Zeit schwebte die Kugel in eine Halle, in der schon drei andere Segmente warteten.
Interessiert musterte Baya den Felsendom. Seine hoch aufragende Kuppel war vergoldet. In der Mitte befand sich ein Loch, durch das ein meterbreiter Stab aus glasähnlichem Material bis zum Hallenboden reichte. Wandreliefs aus Edelsteinen zeigten, wie unvorstellbar fremd aussehende Wesen aus einem zerknüllten Gebilde stiegen, das ein Raumschiff sein musste, wie sie sich ihrer Kleidung entledigten und sich in Berghöhlen verkrochen.
Baya verstand, dass die Entkleidungsszene nur symbolisch gemeint war, als Zeichen dafür, dass die gestrandeten Raumfahrer das technische Erbe ihres Volkes von sich geworfen hatten.
Weitere Reliefs zeigten Szenen eines primitiven Jäger- und Sammlerlebens – und viele Sterbeszenen. Anscheinend hatte der Metabolismus der Fremden auf Dauer die Nahrung nicht vertragen, die Zaltertepe hervorbrachte. Schließlich wurde dargestellt, wie eine Gruppe der Fremden gegen die Regierenden gewaltsam vorging. Danach gruben sie nach dem Erbe ihrer Vorfahren, untersuchten das Schiffswrack und lernten.
Sehr eindrucksvoll empfand Baya die Szenen, die das intensive Lernen und das Herumprobieren mit der technischen Hinterlassenschaft zeigten. Sie ließen erahnen, welche psychische Energie notwendig gewesen war, um aus den degenerierten Nachkommen von Raumfahrern wieder Intelligenzen zu machen, die alle Funktionen eines Raumschiffs begriffen und das Schiff wieder in den Weltraum gebracht hatten.
Nur eines verstand Baya Gheröl nicht. In einer Szene vor dem Start des Raumschiffs kämpften die Fremden gegen ein drachenähnliches Ungeheuer, das ihnen ins Schiff folgen wollte. Sie konnten es zurücktreiben, aber nicht töten. Deshalb errichteten sie ein undefinierbares Bauwerk, das wahrscheinlich dazu dienen sollte, andere Raumfahrer, die auf Zaltertepe landeten, vor dem Ungeheuer zu warnen. Aber das war weder klar, noch ergab es für Baya einen Sinn.
Außerdem setzte sich ihr Segment wieder in Bewegung. Verwundert sah sie, dass eines der anderen Segmente folgte.
Segment Neun schien ihre Verwunderung zu bemerken.
»Es wäre sinnlos, Kontakt mit Raumfahrern aufnehmen zu wollen, die Schattierungen zwischen Freund und Feind nicht erkennen. Ich kehre deshalb mit dir an den ersten Landeplatz zurück. Dort wirst du eine sichere Unterkunft haben, und ich werde versuchen, für das beschädigte Segment Fünf Material zu erhalten. Dann können die benötigten Regenerierungsinstrumente schnell wiederhergestellt werden.«
»Hier!«, rief Sirke Fogel piepsig. »Hier bin ich, Mister Cavarett!«
Der Kybernetiker hing reglos in der Luft und sah sich dicht über dem Bodenbewuchs suchend um. Er konnte Fogel nicht entdecken, sah nur die gigantischen Stämme der Flaschenbäume, turmstarke Lianen, phosphoreszierende Flechten und überall eine unablässige Bewegung.
»Beschreibe mir deine Umgebung!«, forderte Cavarett.
»Sie ist gelb und bewegt sich wellenförmig. Es
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