Silberband 107 - Murcons Vermächtnis
empfand.
»Du solltest es auch probieren!«, schlug ihm Pankha-Skrin vor.
Tantha kostete ein wenig misstrauisch. Erst als er den süßen Geschmack auf der Zunge spürte, schwanden seine Bedenken. Er hatte nie etwas so Köstliches gegessen. Das brachte ihn auf eine Idee.
»Wie würde es dir gefallen, hier eine Zeit lang auszuruhen?«, wandte er sich an den Loower. »In der Zwischenzeit gehe ich auf Erkundung. Wir müssen in Erfahrung bringen, wie es im Land der Kukelstuuhr-Priester aussieht.«
Pankha-Skrin antwortete nicht sofort. Schon befürchtete der Humpelnde, er werde seinen Vorschlag ablehnen.
»Ich halte das für einen guten Vorschlag«, sagte der Quellmeister endlich. »Ich brauche Ruhe und frische Nahrung. Du sollst dich jedoch nicht auf den Weg machen, ohne vorher ebenfalls ausgiebig gegessen zu haben.«
Über seinen Plan hatte der Humpelnde Tantha nicht gesprochen. Er war froh, dass der Loower die Rede nicht darauf gebracht hatte. Schließlich führte er etwas im Sinn, wozu er die Zustimmung des Quellmeisters kaum erhalten hätte.
Er kehrte zu dem goldenen Korridor zurück und wandte sich dort nach links. Mehrmals blieb er vor einer der Wände stehen, bis er mit dieser zu verschmelzen schien. Tantha wusste selbst nicht, welchem Umstand er diese Begabung zuzuschreiben hatte. Er erinnerte sich jedoch, dass es ihm schon als Kind Spaß gemacht hatte, in die Rolle anderer zu schlüpfen.
Der Weg war breiter geworden. Aus der Ferne erklang ein an- und abschwellendes summendes Dröhnen, das Tantha sich nicht erklären konnte. Als es endlich deutlicher wurde, erkannte er, dass jemand sang. Es war ein höchst eintöniger Gesang.
Der Stollen senkte sich in einen Raum hinab, der die Form eines Halbkreises hatte. Die Rundung wies in Tanthas Richtung. Die gegenüberliegende Wand des Raumes, mehr als achtzig große Schritte entfernt, war gerade.
Es roch ziemlich penetrant. Ein Feuer brannte in der Mitte der Halle unter kräftiger Qualmentwicklung. Der Qualm schlug sich zu einem Dunstring nieder, in dem der Humpelnde die Umrisse mehrerer Dutzend Gestalten sah. Es fiel Tantha nicht schwer, die Vermummten als Kukelstuuhr-Priester zu identifizieren. Sie hockten auf dem Boden und sangen. Dabei bewegten sie ihre Oberkörper langsam und rhythmisch. Tantha gewann den Eindruck, dass der Qualm sie benommen machte.
Die rückwärtige Wand wies drei torbogenförmige Öffnungen auf. Der Humpelnde Tantha entschied spontan, die Priester sich selbst zu überlassen und im Hintergrund weiterzusuchen. Als er aus dem Gang hervortrat, wurde er mithilfe seiner Verwandlungsfähigkeit fast zu einem Teil der Hallenwand. An dieser entlang bewegte er sich mit größter Vorsicht.
Bis in den rückwärtigen Bereich der Halle benötigte er knapp eine Stunde. Den Rauch empfand er als angenehm, nachdem er sich erst einmal an den starken Geruch gewöhnt hatte. Tantha fühlte sich beschwingt, sein Vorhaben erschien ihm nur noch halb so schwer. Allerdings war er während seiner Wanderungen oft genug mit starken Drogen zusammengekommen, um zu wissen, dass er sich von solchen Empfindungen nicht leiten lassen durfte.
Er entschloss sich aufs Geratewohl, schon den ersten Ausgang zu untersuchen. Dahinter verlief ein Gang, von dem zu beiden Seiten Türen abzweigten. Es gab auch hier Lampen, ihre Leuchtkraft erreichte aber längst nicht die Helligkeit in der Halle.
Tantha drang etwa fünfzig Schritte in den Gang ein, dann machte er sich an einer der Türen zu schaffen. Es gab keinen erkennbaren Öffnungsmechanismus. Trotzdem schien er unbewusst den richtigen Griff getan zu haben, denn die Tür glitt auf. Sie schwang nicht, wie Tantha es gewohnt war, nach einer Seite auf, vielmehr glitt sie seitwärts in die Wand. Aber nicht das entsetzte den Humpelnden dermaßen, dass er beinahe aufgeschrien hätte, sondern das fremdartige Wesen, das hinter der Tür in einem engen Raum stand. Tantha wich mit einem Satz in den Gang zurück.
Erst da ging ihm auf, dass die Gestalt sich nicht bewegte. Sie hatte annähernd humanoide Form, nur war sie weitaus größer, als Zaphooren üblicherweise wurden. Tantha kam nicht mit sich ins Reine, ob die Gestalt bekleidet oder nackt war. Ihre Haut, wenn es sich wirklich um Haut handelte, glänzte tiefschwarz. Die Gelenke an Armen und Beinen waren deutlich ausgeprägt und wirkten, als hätte sie jemand nachträglich zwischen die Gliedmaßen geschraubt.
Erst als Tantha die Augen dieses Wesens musterte, wurde ihm klar, was er da
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