Silberband 108 - Grenze im Nichts
schmerzte den Augen. Der Wind wurde zudem immer heftiger.
Bis sie die Ruinen erreichten, waren die Zwotter längst schon weiter.
»Sie streben der Felswand zu«, meldete Hotrenor-Taak.
»Wir müssen sie vorher abfangen!« Margor wusste, dass die Zwotter zumeist in Höhlen hausten und dass die Berge von einem wahren Labyrinth durchzogen waren. Wenn Organizz und Generizza erst einmal dort Zuflucht gefunden hatten, würde es unmöglich sein, sie aufzuspüren.
Margor verschärfte die Gangart. Plötzlich ein Schrei. Undeutlich sah der Mutant, dass Arzachena im Sand einsank. Instinktiv warf Margor sich zu Boden und griff nach der Hand des Prospektors. Im zweiten Versuch bekam er sie zu fassen und zog den schmächtigen Alten heraus. Erst da wurde ihm bewusst, dass er zur Rettung eines Paratenders seine eigene Sicherheit aufs Spiel gesetzt hatte. So etwas hatte er nie zuvor getan.
»Danke«, sagte Arzachena. Margor antwortete mit einer verächtlichen Grimasse. Als Hotrenor-Taak gleich darauf meldete, dass er die Zwotter aus den Augen verloren hatte, bedachte Margor Arzachena mit einer Verwünschung.
»Die Psychode müssen hier irgendwo sein!«, schrie der Lare, um das Heulen des Sturmes zu übertönen. »Sobald die Sicht besser wird, können wir mit der gezielten Suche beginnen.«
»Falls die Zwotter die Psychode vorher nicht fortgeschafft haben.«
Margor war außer sich. Die Zwotter sahen sich als Verwalter der Kulturzeugnisse ihrer Vorfahren. Möglich, dass sie sich verstellten und den Wert der Psychode sehr wohl erkennen konnten. Vielleicht fertigten sie die Duplikate nur an, um die Originale vor fremdem Zugriff zu schützen. Was wusste er denn wirklich über die Zwotter? Er war bei ihnen aufgewachsen, hatte die ersten sechs Lebensjahre bei ihnen verbracht, aber er hatte an diese Zeit fast keine Erinnerung. Für ihn waren die Zwotter bisher nur harmlose, dienstbare Geister gewesen. Ihre Technik hatten sie von Vincranern, Provconer-Laren und Gäanern übernommen – oder einfach nachgebaut.
Gotas Stimme erklang im Funkempfang. »Wir sind zu den Wagen gestoßen und folgen euch, Boyt!«
Margor gab keine Antwort. Er peilte Schneeflocke an. Der Kristallroboter war irgendwo linker Hand – einige hundert Meter entfernt.
»Da ist eine Höhle!«, erklang Hotrenor-Taaks Stimme aus dem grell leuchtenden Nebel. »Und da ist Generizza. Oder bist du Organizz?«
Ein verhaltener Gesang war die Antwort.
»Was ist passiert, Organizz?«
Margor kam dem Laren näher. Der goldene Nebel lichtete sich, als er Hotrenor-Taak erreichte. Zugleich entdeckte er am Eingang einer Höhle eine zusammengekauerte Gestalt. Der Körper des Zwotters war aufgedunsen, seine ehemals zerfurchte, lederartige Haut spannte sich über Schwellungen und war an diesen Stellen glatt und glänzend.
»Wo sind die Psychode?«, schrie Margor. Als der Zwotter nicht sofort antwortete, ließ er seiner aufgestauten Wut freien Lauf und entlud sie gegen den Gnomen. Zu spät wurde er sich bewusst, dass dies gleichbedeutend mit der Entladung der in ihm gespeicherten Psi-Energie war. Dass er seine Reflexhandlung sofort bereute, rettete den Zwotter nicht mehr. Der kleine Körper verdorrte unter der Kraft der auf ihn einströmenden psionischen Energie.
Margor eröffneten sich dabei Details, die ihn verblüfften. Er entdeckte an dem sterbenden Zwotter Merkmale, die auf ein weibliches Geschlecht hinwiesen. Organizz war demnach kein Mann, sondern ein weiblicher Zwotter. Die Wölbung an seiner Körpermitte, an der der Schrumpfungsprozess mit Verzögerung vor sich ging, war zweifellos ein Attribut fortgeschrittener Schwangerschaft.
Oder war Organizz erst zu einer Frau geworden? Schon Virna Marloy hatte angenommen, dass die Zwotter androgyn seien, also Mann und Frau in einem, und dass sie in der Öffentlichkeit nur als Männer auftraten und sich während der Geschlechtsumwandlung in das subplanetare Höhlensystem zurückzogen.
Wie es sich wirklich verhielt, war im Moment nicht mehr wichtig. Organizz war tot. Er war zu einem mumifizierten Etwas von humanoider Form geworden.
»Er kann uns nicht mehr helfen«, sagte Hotrenor-Taak ohne besondere Regung. Margors Handlungsweise zu kritisieren stand ihm nicht zu. »Aber der Sturm lässt nach, und wir werden das Versteck der Psychode auch ohne ihn finden.«
»Schneeflocke wird uns helfen«, sagte Arzachena.
Margor griff diesen Gedanken sofort auf. Er versuchte, den Kristallroboter anzupeilen. Doch das Ortungsgerät schlug
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