Silberband 108 - Grenze im Nichts
leben. Ist mein früheres Apartment noch frei?«
»Sol-Town steht praktisch leer, obwohl die auf Gäa zurückgebliebenen Terraner fast alle in die Stadt gezogen sind. Wenn dir danach ist, könntest du ein eigenes Hochhaus bewohnen.«
Hotrenor-Taak wechselte mit seinem Begleiter einen kurzen Blick. »Auf dieses Angebot werde ich vermutlich zurückkommen. Ich habe einige Pläne und brauche ein repräsentatives Gebäude. Aber bevor ich es gefunden habe, beziehe ich mein altes Apartment. Das heißt, wenn dort für meine Freunde ebenfalls Wohnungen frei sind.«
Roctin-Par blickte zur GORSELL, der zwei Vincraner entstiegen waren. Beide hielten sich abwartend im Hintergrund. Während der eine einen jugendlichen Eindruck machte, wirkte der andere uralt. »Die beiden Männer gehören auch zu dir?«, wollte er wissen.
»Galinorg und Prener-Jarth sind keine Freunde wie Pyon, aber man könnte sagen, dass uns gleiche Interessen verbinden.«
»Du machst mich neugierig.« Roctin-Par war leicht verwirrt. »Aber vielleicht sollten wir erst ins Stadtzentrum fliegen. In meinem Schweber ist Platz für alle – auch für deine Freunde. Brauchst du Leute, um die Ladung der GORSELL zu löschen? Oder kann ich dir darüber hinaus helfen?«
»An die Fracht lasse ich keine Fremden heran.« Hotrenor-Taak sagte das wie im Scherz, doch Roctin-Par merkte, dass es ihm ernst war. »Ansonsten: Bringe mich und Pyon ins Stadtzentrum. Die Vincraner bleiben als Wachen hier. Ich will nicht, dass sich Querulanten an meinem Schiff zu schaffen machen.«
»Kannst du nie vergessen, Hotrenor?« Roctin-Par wusste, worauf der Freund mit seiner Bemerkung anspielte. Hotrenor-Taak war auf dem Weg zu ihm von einer Bande jugendlicher Provconer überfallen worden, die an dem Verkünder der Hetosonen Selbstjustiz verüben wollten. Damals hatte Roctin-Par die Übeltäter hart bestrafen wollen, aber Hotrenor-Taak hatte den Vorfall bagatellisiert. Erwähnte er das jetzt, Monate später, nur um die Bewachung der GORSELL zu rechtfertigen? Roctin-Par fragte sich, welche Güter der SVE-Raumer geladen haben mochte.
Während des Schweberflugs erzählte Hotrenor-Taak, dass er schon vor einiger Zeit in die Provcon-Faust zurückgekommen war. »Ich bin nach Zwottertracht geflogen«, schloss er und ließ eine erwartungsvolle Stille folgen.
Tatsächlich fühlte sich Roctin-Par bemüßigt, den Faden aufzunehmen. »Obwohl ich schon lange in der Provcon-Faust lebe, weiß ich nicht viel über diese Welt. Ich war nie auf Zwottertracht – und nach den Erzählungen der Vincraner habe ich nichts versäumt. Sie meiden diese Welt und scheinen von den Einheimischen nicht viel zu halten. Wahrscheinlich, weil die Zwotter ein degeneriertes Volk sind. Angeblich hatten sie eine Hochkultur, leben heute aber unter primitivsten Bedingungen.«
»Es existieren alte Kulturzeugnisse, die diese Theorie belegen.« Hotrenor-Taak machte abermals eine Pause, dann sagte er: »Darüber möchte ich mich mit dir unterhalten, Roctin.«
Roctin-Par landete den Schweber auf dem Dach des Apartmenthauses. Sie fuhren im Personenlift zwei Etagen abwärts, und gleich darauf stellte Hotrenor-Taak zufrieden fest, dass sich die Tür seiner früheren Wohnung noch unter seinem Daumendruck öffnete.
»Es ist alles, wie ich es verlassen habe. Roctin und Pyon, macht es euch bequem.« Er blickte den ehemaligen Rebellen an. »Wo war ich stehengeblieben?«
»Bei den Kulturzeugnissen der Zwotter.«
»Richtig. Während meines kurzen Aufenthalts auf Zwottertracht habe ich verblüffende Funde gemacht, die völlig neue Kenntnisse über die Zwotter erbringen. Das heißt, eigentlich über die Prä-Zwotter, denn die heute auf Zwottertracht lebenden Eingeborenen haben keine Beziehung mehr zu diesen Dingen. Ich habe einige Exponate an Bord der GORSELL nach Gäa gebracht. Es sind einmalig schöne Kunstwerke, Roctin, die von hoher geistiger Reife und schöpferischem Können zeugen. Ich war so sehr davon angetan, dass ich diese Kunstwerke einem größeren Kreis von Interessierten zugänglich machen will. Ich habe vor, in Sol-Town eine Ausstellung zu organisieren.«
Roctin-Par wusste nicht recht, was er darauf antworten sollte. »Ich wusste bislang nicht, dass du eine Ader für musische Dinge hast«, sagte er verwundert.
»Die Kunst der Prä-Zwotter hat meinem Leben einen neuen Inhalt gegeben.« Aus Hotrenor-Taaks Mund klang das nicht einmal pathetisch. »Ich will diese Ausstellung machen, Roctin. Der Gedanke lässt mich nicht
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