Silberband 108 - Grenze im Nichts
mehr los.«
»Und wovon hängt die Realisierung ab?«
»Von deinem Einverständnis.«
»Ich wusste nicht, was ich dagegen einwenden sollte. Es gibt in Sol-Town genügend Kunstpaläste, die seit dem Abzug der Menschen leer stehen. Suche dir den besten davon aus.«
Hotrenor-Taak wechselte mit Arzachena einen Blick. Beide schienen erleichtert zu sein.
»Würdest du mir die Ehre erweisen und das Patronat für die Ausstellung übernehmen?« Hotrenor-Taak wandte sich wieder an Roctin-Par. »Die Vincraner haben große Vorurteile gegen alles, was von Zwottertracht kommt. Aber wenn du als Führer der Provconer für die Prä-Zwotter-Kunst eintrittst, werden sich vielleicht sogar die Vincraner angesprochen fühlen. Falls du Bedenken hast, komm mit an Bord der GORSELL und überzeuge dich von der Einmaligkeit der Exponate.«
»Ich verstehe leider gar nichts von Kunst und verlasse mich da ganz auf dein Urteil.«
Trotz Roctin-Pars Zusage wirkte Hotrenor-Taak leicht enttäuscht. »Willst du dir die Werke nicht doch ansehen?«, unternahm er einen letzten Versuch. »Ich bin sicher, dass du davon ebenso fasziniert sein wirst wie ich.«
Roctin-Par hätte beinahe zugesagt. Aber irgendetwas ließ ihn im letzten Augenblick doch zögern. »Ich bin eben ein Banause und werde es vermutlich immer bleiben. Mach du deine Ausstellung, ich wünsche dir dazu viel Glück.«
Roctin-Par hatte in der Folgezeit nur wenig Kontakt mit Hotrenor-Taak. Er erfuhr überwiegend von anderen, wie die Vorbereitungen für die Ausstellung gediehen. Die Vernissage sollte am 10. März 3587 terranischer Zeitrechnung stattfinden, die Werbetrommel wurde schon kräftig gerührt, ohne dass der Veranstalter Details über die Kunstwerke verriet.
Hotrenor-Taak hatte ein leer stehendes Museum übernommen, in dem früher galaktische Artefakte präsentiert worden waren.
Roctin-Par hatte sich längst ein Urteil darüber gebildet, was den Freund bewogen haben mochte, sich Kunst und Kultur zu widmen. Er nahm an, dass der einstige Verkünder der Hetosonen Schuldgefühle abtragen wollte, indem er sich nun den schönen Dingen des Lebens zuwandte. Eine solche Polarisierung des Charakters war bei Personen, die schwere Schuld auf sich geladen hatten, keine Seltenheit.
Sol-Town erwartete das gesellschaftliche Ereignis. Provconer-Laren und Gäa-Menschen bauten erst wieder eine neue Gesellschaftsordnung auf, nachdem die alte zusammengebrochen war. Beide Gruppen standen dem kommenden Ereignis positiv gegenüber.
Nicht so die Vincraner, von denen eine beachtliche Zahl auf Gäa eingewandert war. Einer von ihnen, sein Name war Bothon-Cann, suchte Roctin-Par am Tag vor der Vernissage auf und äußerte seine Bedenken.
»Hotrenor-Taak macht zwar ein großes Geheimnis um seine Ausstellung, aber ich habe in Erfahrung gebracht, dass es sich um Zwotterkunst handelt. Und genau das stimmt mich bedenklich.«
Auf Roctin-Pars Frage, was er an der Kunst der Zwotter auszusetzen habe, antwortete der Vincraner: »Es ist schon lange bekannt, dass die Psychode von Zwottertracht eine psionische Ausstrahlung haben, die sich nicht nur auf labile Geister verhängnisvoll auswirken kann. Wir Vincraner haben diese Kunstwerke deshalb immer gemieden, und am Schicksal jener, die gegen das Tabu verstießen, zeigt sich, wie recht wir hatten. Alle, die sich zu intensiv mit den Psychoden beschäftigten, endeten in geistiger Umnachtung. Auch die Gäaner haben schon vor hundert Jahren die potenzielle Gefährlichkeit der Psychode erkannt. Sie versuchten deshalb, sie aus dem Verkehr zu ziehen und von den Menschen fernzuhalten. Ich muss mich wundern, dass dies alles in Vergessenheit geraten ist. Du solltest deinen Freund darauf hinweisen, Roctin.«
Aber Roctin-Par hatte keine Lust, sich lächerlich zu machen, indem er den vincranischen Aberglauben befürwortete. »Niemand kann gezwungen werden, die Ausstellung zu besuchen«, sagte er. »Es ist das Recht der Vincraner, ihr fernzubleiben.«
»Leider zeichnet sich ab, dass sich etliche meiner Artgenossen über das uralte Tabu hinwegsetzen werden. Zwei von Hotrenor-Taaks Werbeträgern sind Vakulotsen, und es ist ihnen gelungen, viele aus ihrer Kaste neugierig zu machen.«
»Dagegen kann ich nichts tun, Bothon.«
»Aber ich werde etwas dagegen unternehmen. Ich werde zur Vernissage gehen und die Leute zur Vernunft bringen.«
Zwei Tage später erfuhr Roctin-Par, dass Bothon-Canns Aufklärungsfeldzug kläglich gescheitert war. Die Medien berichteten in großer
Weitere Kostenlose Bücher