Silberband 111 - Geburt einer Dunkelwolke
standhielt.
Die Maschine schien langsam im Untergrund zu versinken.
Ein unheilvolles Knacken und Krachen hallte unter dem Torbogen wider. Dreck und Pflanzenteile fielen aus der Höhe auf das Fahrzeug herab.
Der Boden sackte vollends weg. Für einen Moment hatte Tekener den Eindruck, dass sich Lianen und Pflanzenwurzeln zur Seite zogen, aber er war sich dessen nicht sicher. Der Gleiter sank in die Tiefe. Betäubender Modergeruch breitete sich aus. Eine moosbewachsene Steinmauer stürzte dröhnend um. Nachdem sich der aufgewirbelte Staub und abgerissene Pflanzenteile gesetzt hatten, bildeten die Mauerbrocken einen kleinen Hügel – genau dort, wo der Gleiter versunken war.
Der gewaltige Torbogen hatte sich ein Stück weit geneigt, hielt aber noch stand. Die üppige Vegetation würde alle Spuren schon in Kürze überwuchert haben.
3.
Lakikrath zählte zu den bedeutendsten ungelösten Rätseln der Provcon-Faust. Die uralte Tempelstadt lag nahe dem größten Wasserfall, den Menschen bislang in der Milchstraße gesehen hatten.
Für Tekheter waren die Relikte tabu. Ein Tekheter starb eher, als dass er es wagte, die Grenze der zerfallenen Zäune zu überschreiten.
Geborstene Türme aus mächtigen Quadern, verwitterte Torbögen und lange Säulenreihen, ausgedehnte Flächen, die einst prächtige Mosaikböden gewesen waren, grasüberwucherte Treppen und Rampen ... Überall mächtige Bäume, viele umgestürzt und vermodert, Dünger bildend für die Schösslinge. Tempel voller düsterer Höhlungen. Im Untergrund verlaufende Gänge und eingebrochene Stollen. Ab und zu kondensierender Wassernebel des Hochmeerfalls, der den Riesenbezirk durchnässte und in Schlamm verwandelte, triefend dann die gewaltigen Anlagen aus Stufentempeln, Mauern, Viadukten und Aquädukten.
Und über allem schwebten scheinbar die Geister der Ahnen. Niemand vermochte sich Lakikraths zwingender Ausstrahlung zu entziehen.
Auch Ronald Tekener und Jennifer Thyron nicht.
Im Zentrum der Tempelruinenstadt fanden sie eine Zuflucht, einen halb verwitterten, von Pflanzen überwucherten Turm.
Zwei Tage lang herrschte absolute Ruhe.
Boyt Margor hielt die Hände auf dem Rücken verschränkt. Schweigend, von Wut beherrscht stand er in der Zentrale des Raumschiffs. Seine kleine Flotte hatte Tekheter fast erreicht.
Nahezu ununterbrochen bestand Funkkontakt. Margor war informiert, wie intensiv Tekheter und Vincraner nach den flüchtigen terranischen Agenten suchten.
»In der Maske von Schwarzhändlern! Eine Tonne Rauschgift ... und wir haben sogar dafür gezahlt ...« Nervös spielte Margor mit seinem Amulett. Er musste schnell reagieren und zielsicher zuschlagen.
Sie sahen die Kugelraumer über den Himmel ziehen und dabei tiefer sinken. Ronald Tekener wusste sofort, dass Margor kam.
»Alle werden uns suchen, Tek«, sagte Jennifer. »Auf Dauer haben wir nicht die geringste Chance.«
»So schlecht sehe ich die Situation nicht«, widersprach er. »Wichtig ist, dass der Einfluss der Psychode schon weitgehend von dir abgefallen ist. Das Weitere wird sich finden.«
Die Frau lächelte bedrückt. »Wir können nicht mit Steinen werfen, sobald Zehntausende Tekheter nach uns suchen.«
»Aber wir können uns hier notfalls jahrelang verbergen!«
Sie verließen ihren Aussichtspunkt und stiegen die zerbröckelnden Stufen der Treppe hinunter. Schlingpflanzen sprengten die Steine. Trotzdem hatte es den Anschein, als wichen die Ranken vor den beiden Eindringlingen zurück. Jennifer blieb stehen und deutete auf dicke Äste, die sich zitternd zurückbogen. Auf dem hellen Untergrund der Treppe war der Effekt deutlich zu erkennen.
Die Pflanzen wichen den beiden Menschen aus. Tek hatte diesen Eindruck schon gewonnen, als er mit dem Gleiter in die Wildnis eingedrungen war.
»Hier ist vieles merkwürdig«, stellte er fest. »Zum Beispiel die Früchte, die ich gesammelt habe, während du schliefst. Manche hoben sich förmlich aus dem Dickicht hervor, andere schienen mir auszuweichen.«
»Kannst du zwischen genießbaren und ungenießbaren Früchten unterscheiden?«, fragte Jennifer zögernd. »Wohl kaum. Also hat jemand dir die Wahl abgenommen.«
Tekener lachte heiser. Er war Realist, an mystische Vorfälle glaubte er nicht. Es gab sicherlich eine bessere Erklärung.
Er verstummte. Lauschte angespannt. Dröhnende, pfeifende Geräusche überlagerten das allgegenwärtige Rauschen des Wasserfalls.
»Weg hier!«, stieß Tek hervor und sprang die letzten Stufen
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