Silberband 112 - Die Energiejäger
bekam die Züge des Wesens, das ihm antwortete, nur undeutlich zu sehen.
»Nichts für ungut, mein verehrter Freund Ongelsken. Ich wollte mir deinen großartigen Fang nur einmal aus der Nähe ansehen. So etwas bekommt man schließlich nicht alle Tage geboten!«
Nach vargartischer Sitte war es ausgesprochen ungehörig, dass der andere seinen Namen nicht nannte. »Wer bist du, verehrter Freund?«, fragte Ongelsken. »Warum gibst du dich nicht zu erkennen?«
»Oh, verzeih! Die Aufregung ließ mich die guten Sitten vergessen. Mein Name ist Querdaar, ich befehlige die ENERGIESCHWALBE. Wir werden uns unverzüglich entfernen.«
Während das Bild erlosch, verfolgte Ongelsken die Bewegung der ENERGIESCHWALBE. Er sah ein Triebwerk kurz aufflammen, danach näherte sich das Fahrzeug dem oberen Bildrand.
»Seltsam«, sagte Onglosnakar.
Ongelsken wandte sich ihm zu. »Was ist seltsam?«
»Hör dir diese Aufzeichnung an!«
Onglosnakar drückte einen Schalter. Die Stimme erklang wieder, die Ongelsken eben gehört hatte. »... wollte mir deinen großartigen Fang nur einmal aus der Nähe ansehen.«
»Was ist daran seltsam? Genau das hat Querdaar doch gesagt.«
»Auf Kanal neun«, stellte Onglosnakar fest.
»Ja – und?«
»Diese Aufzeichnung stammt von Kanal siebenundachtzig. Die siebenundachtziger Antenne ist in den Raum hinaus gerichtet und hätte eine Sendung von der ENERGIESCHWALBE unmöglich empfangen können. Außerdem ist der Empfang auf siebenundachtzig zeitlich gegenüber dem auf neun um ein paar Hundertstelsekunden versetzt.«
»Vor- oder rückwärts?«
»Vorwärts. Kanal siebenundachtzig sprach zuerst, dann kam Kanal neun.«
Ongelsken blickte auf den Bildschirm. Das Triebwerk der ENERGIESCHWALBE arbeitete wieder, und diesmal schaltete es nicht sofort wieder ab, sondern blieb in Tätigkeit.
»Alarm!«, rief Ongelsken.
Die ENERGIESCHWALBE kam mit wachsender Geschwindigkeit auf den Geleitzug zu. Für Ongelsken gab es keinen Zweifel mehr, dass es sich um einen Anschlag handelte. Er reagierte blitzschnell.
Manuell schaltete er die Triebwerke der FÄNGERGLÜCK auf Vollleistung. Er verließ sich auf den Rechner, der die unerwartete Beschleunigung in Steuersignale umzusetzen hatte, damit die Begleitschiffe in Position gehalten wurden. So nahe der Energiestation durfte die Noran-Formation auf keinen Fall auseinanderreißen, die Folgen konnten verheerend sein.
»Korpuskularstrahlung!«, rief Onglosnakar. »Die Detektoren zeigen ein hochenergetisches Protonenbündel.«
Einer der achtzehn Norane blähte sich auf. Ein gefährliches blaues Leuchten spielte in seiner Energiehülle. Der Noran war der mittlere in der dritten Reihe, nahe dem Zentrum der Formation. Der Protonenstrahl durchlöcherte die Hülle des Norans. Das Leuchten stammte von der Wechselwirkung der Protonen mit den Antinukleonen im Innern des Energiegebildes.
Die ENERGIESCHWALBE hielt immer noch Kurs auf die Noran-Formation.
»Noran acht auskoppeln!«, befahl Ongelsken.
Er durchschaute den Plan des unbekannten Gegners.
Die ENERGIESCHWALBE war unbemannt und wurde ferngesteuert. Ihr Auftrag lautete, den angeschossenen Noran zu rammen. Die zu erwartende Explosion würde auf die anderen Norane überspringen und den ganzen Geleitzug, womöglich sogar die Energiestation vernichten.
Während Ongelsken die näher kommende ENERGIESCHWALBE beobachtete, hörte er, wie Onglosnakar im Hintergrund die nötigen Befehle erteilte, damit der angeschossene Noran aus der Formation gelöst werden konnte. Die Prozedur war kompliziert, und es ging dabei um jede Zehntelsekunde.
Der Noran war schwer getroffen und entleerte sich zusehends. Er war in grelles Wabern gehüllt.
»Schneller!«, drängte Ongelsken.
Die ersten Traktorstrahlen, die den angeschossenen Noran umschlangen, erloschen. Aber noch stand die Querverbindung, die das Energiegebilde an seine seitlichen Nachbarn band. Kostbare Sekunden vergingen, bis sie ebenfalls zusammenbrachen.
Zeitgleich drehte Ongelsken den Beschleunigungsvektor der FÄNGERGLÜCK und des Konvois. Der getroffene Noran löste sich aus dem Verband und fiel zurück. Der Geleitzug raste indes der Energiestation entgegen und würde sie mit nur mehr wenigen Dutzend Kilometern Abstand passieren.
Atemlos verfolgte Ongelsken den Flug der ENERGIESCHWALBE. Für ein Ausweichmanöver war es zu spät. Ein Pilot an Bord hätte durchaus noch einen Kurswechsel herbeiführen können, die Fernsteuerung war aber nicht reaktionsschnell
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