Silberband 112 - Die Energiejäger
genug.
»Vorsicht! Kontakt!«, rief Onglosnakar.
Ongelsken desaktivierte die Sehzentren. Aber selbst durch die dunklen Häute, die die lichtempfindliche Oberschicht der Sehknoten bedeckten, nahm er den grellen Blitz wahr, als die ENERGIESCHWALBE mit der Antimaterie des Norans kollidierte.
»Wir werden nach dem Übeltäter forschen und ihn mit der ganzen Strenge des Gesetzes verfolgen, mein teurer Freund«, sagte das Licht im Dunkel.
Ongelsken musterte sein Gegenüber verstohlen, und ein Teil der Ehrfurcht, die er empfunden hatte, als er dem hohen Diener der Öffentlichkeit gegenübertrat, verflüchtigte sich. Das Licht im Dunkel wusste ebenso gut wie er selbst, dass der Attentäter nicht gefunden werden würde.
»Teurer Freund« war eine jener unverbindlichen floskelhaften Anreden. Teuer nannte ein Höherstehender den Niedrigeren, besonders wenn er Mitleid oder eine ähnliche Regung für ihn empfand. Ongelsken war von der väterlichen Herablassung des Lichts im Dunkel keineswegs angetan. Er fühlte sich weder als unter einem Diener der Öffentlichkeit stehend, noch bedurfte er des amtlichen Mitleids.
»Das wird sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich sein, mein Freund«, erwiderte er daher.
Die Sehzentren seines Gegenübers verdunkelten sich vorübergehend. Die nackte, attributlose Anrede stellte eine Respektlosigkeit dar – wenigstens aus der Sicht des Lichts im Dunkel.
»Warum?«
»Der Anschlag war geschickt geplant. Wenn mein Nachgeborener Onglosnakar nicht durch Zufall erkannt hätte, dass die Funksendung, die ich empfing, gleichzeitig auf einem anderen Kanal übertragen wurde, hätte ich nicht mehr rechtzeitig reagieren können, dann wären wir alle mitsamt der Energiestation dahin. Ein so sorgfältig eingefädeltes Unternehmen wird nur von einer gut eingespielten Organisation geplant und durchgeführt. Und eine solche Organisation ist schwer zu fassen.«
»Immerhin gelang es dir, den Ausgangsort der Primärsendung anzupeilen.«
»Nicht anzupeilen. Die Instrumente registrierten lediglich die Richtung, aus der sie kam. Über die Entfernung wissen wir nichts.«
»Wie groß sind deine Verluste?«
»Ich habe zwei meiner Freunde verloren. Drei weitere bedürfen auf lange Zeit medizinischer Behandlung. Die Strahlung der Explosion war so intensiv, dass ihr Zellgewebe teilweise zerstört wurde. Außerdem entstand Sachschaden an der FÄNGERGLÜCK sowie an zwei Begleiteinheiten. Und uns ging ein Noran verloren.«
Das Licht im Dunkel gab einen Laut des Ärgers von sich.
»Auch die Energiestation hat Schäden zu verzeichnen, wenngleich keine ernsthaften. Wegen des verlorenen Norans und des Sachschadens mach dir keine Sorgen, mein verehrter Freund. Die Zentralregierung übernimmt dafür die Verantwortung und wird dich entschädigen. Auch für deine verletzten Freunde wird in jeder Hinsicht gesorgt. Tragisch ist allerdings der Verlust der beiden, die keine medizinische Kunst mehr zum Leben erwecken kann. Ich bitte dich, sei während deines Aufenthalts auf dieser Station mein Gast – auch wenn ich nicht die ganze Zeit über hierbleiben kann – und überbringe bei deiner Rückkehr meinem Freund Zwadivar die besten Glückwünsche.«
Das Licht im Dunkel erhob sich aus der Sitzschale.
Ongelsken stand ebenfalls auf, das war eine formelle Geste des Respekts. »Ich danke dir, verehrter Freund, für deine Gastfreundschaft und das Verständnis, das du meiner Lage entgegenbringst«, sagte er. »Ich werde mich so bald wie möglich wieder auf den Rückweg machen, denn die Fangsaison ist längst nicht zu Ende. Mein gönnerhafter Freund Zwadivar wird sich über deine Glückwünsche freuen.«
»Was den Urheber des schändlichen Anschlags angeht, so hast du sicher einen Verdacht?«, fragte das Licht im Dunkel.
»Ja«, antwortete Ongelsken.
»Wer war es?«
»Mein Verdacht ist ohne verwendbare Anhaltspunkte. Ich ziehe es vor, nicht darüber zu sprechen.«
Ongelsken erwog ein Ferngespräch mit Zwadivar, um diesen über die Vorgänge bei der Energiestation in Kenntnis zu setzen. Schließlich entschied er sich jedoch dagegen. Der Anschlag hatte ihm zu denken gegeben. Zu behaupten, das Geschehen hätte ihm Respekt vor dem Gegner eingeflößt, wäre zu viel gewesen. Wenn das Attentat überhaupt eine Reaktion ausgelöst hatte, dann beschränkte sie sich darauf, dass er nun Abscheu gegenüber Marbonnaj empfand, den er zuvor nur verachtet hatte. Denn dass Marbonnaj hinter dem Anschlag stand, daran gab es für Ongelsken
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