Silberband 112 - Die Energiejäger
nächsten zehntausend Jahren nichts Gleichwertiges würden entgegenzusetzen haben.
»Du kannst sie im Voraus sehen?«, fragte er auf meine Bemerkung hin. »Wie machst du das?«
Ich versuchte, ihm das Prinzip der virtuellen Blickpunkte zu erläutern. Wenn mir das kaum gelang, dann lag es daran, dass ich selbst es noch nicht ganz verstanden hatte.
Wir postierten vier Blickpunkte unterhalb der Burg und sahen damit in die Tiefe des Kraters hinab. Etliche Minuten verstrichen, ohne dass sich in der Finsternis etwas veränderte. Ich wusste, dass die Energiewale eine temporäre Erscheinung waren. Konnte es sein, dass wir das Ende der Saison schon hinter uns hatten?
Perry Rhodan meldete sich von Bord der BASIS. Er wirkte ernster als gewöhnlich. »Wie können wir dich unterstützen?«, fragte er.
»Ich lehne nach wie vor jede Hilfe ab«, sagte ich.
»Du weißt, was auf dem Spiel steht?«
»Ich habe zwei der Zusatzschlüssel, und wenn sie mit mir verloren gehen, wird die Suche nach der Materiequelle erschwert, wenn nicht sogar unmöglich.«
Ein kaum bemerkbares Lächeln spielte um seine Augenwinkel. »Mich bedrückt viel eher, dass ich im schlimmsten Fall einen meiner besten Freunde verliere.«
Seine Erwiderung brachte mich für ein paar Sekunden aus dem Konzept. Was für eine Rolle spielte Freundschaft, wenn es um die Materiequellen, die Kosmokraten, das Schicksal der Loower und womöglich dieses Abschnitts des Universums ging?
»Perry, ich weiß das sehr zu schätzen«, antwortete ich schließlich. »Aber dasselbe Argument gilt auch für mich. Ich darf keinen von euch in Gefahr bringen.«
»Ich kann dir Roboter schicken.«
»Ich weiß von Reginald, dass die Mess- und Navigationsgeräte der BASIS verrückt spielen. Was wird wohl aus Robotfahrzeugen, die sich in unmittelbare Nähe der Noran-Quelle wagen?«
»Du hast recht«, gab er zu. »Es sieht so aus ...«
»Zwei Norane!«, rief Ongelsken.
Perry reagierte sofort darauf. »Ich habe es gehört«, sagte er hastig. »Euer Rettungsfahrzeug ist unterwegs. Viel Glück.«
Zwei davon – damit hatte ich nicht gerechnet. Das konnte zu Komplikationen führen.
Die beiden Energiewale waren so dicht beisammen, dass ein scharfes Auge dazu gehörte, zu erkennen, dass es sich um zwei Exemplare handelte. Die Messgeräte hatten ihre Geschwindigkeit registriert. Uns blieben noch ein paar Minuten Zeit.
»Habt ihr jemals beobachtet, dass zwei Norane einander beeinflussen, wenn sie so nahe zusammen sind?«, fragte ich Ongelsken.
»Es gibt eine gewisse Deformierung, als übe einer Druck auf den anderen aus. Sie scheinen einander abzustoßen. Aber so nahe beieinander hat noch keiner von uns je zwei Norane gesehen.«
Die Lichtzelle besaß weitaus leistungsfähigere Traktor- und Fesselfelder als die vargartischen Raumschiffe. Ich hatte den Vargarten mein geplantes Vorgehen so erläutert, als handelte es sich für mich nur um einen Spaziergang. Natürlich hatte ich sie auch beruhigen wollen – aber Tatsache war, dass ich mir die erste Phase unseres Unternehmens wirklich nicht besonders schwierig gedacht hatte.
Die Situation machte mir einen Strich durch die Rechnung. Wenn auch nur die geringste Gefahr bestand, dass die beiden Norane einander beeinflussten, dann durfte ich sie keinesfalls in der Nähe der Burg oder überhaupt im nahen planetaren Bereich einfangen.
Ein paar Sekunden lang erwog ich, die beiden einfach ziehen zu lassen und auf den nächsten Einzelgänger zu warten. Aber was, falls es sich bei den beiden um die letzten Energiewale dieser Saison handelte? Außerdem würden die Vargarten beide Norane aufsteigen sehen und sich fragen, warum ich sie nicht einfing. Ihr Vertrauen zu verlieren, durfte ich auf keinen Fall riskieren.
»Die Norane sind schon nahe«, sagte Ongelsken warnend. »Wir dürfen nicht mehr warten!«
Die Lichtzelle setzte sich ruckfrei in Bewegung. Die virtuellen Blickpunkte blieben an ihrer Position, sodass sich das Abbild der beiden Energiewale für uns nicht änderte. Ongelsken achtete nur auf die Norane, er wäre sonst erstaunt gewesen, wie rasch sich die Lichtzelle von der Burg entfernte, ohne dass der geringste Andruck spürbar wurde.
Zum ersten Mal sah ich die Planetenoberfläche nicht durch einzelne Blickpunkte, sondern im Überblick. Heimstatt der Wärme war eine atmosphärelose Welt. Extreme Temperaturen herrschten. Gewaltige Spalten durchzogen den Boden wie Risse, die sich in trockenem Lehm bildeten. Felsen, zerfressen von den bis zu
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