Silberband 113 - Der Loower und das Auge
berichtet, und daraus sind etliche Gerüchte entstanden.«
»Vage Geschichten, die von dir interpretiert werden«, bemerkte Nerla Skeidev.
»Er vermutet, dass alles mit diesem Wächterorden zusammenhängt, an dessen Existenz er so verzweifelt glaubt«, sagte Temer verächtlich.
Sarders Augen verengten sich. »Du hast dich nie damit befasst, also steht es dir nicht zu, darüber zu spotten.«
»Ich habe inzwischen viele Stunden in deinem Archiv zugebracht«, widersprach Temer.
Das Archiv waren zwei Räume neben Sarders Kabine, in denen er seine Unterlagen aufbewahrte. Sarder hielt seine Sammlung nicht unter Verschluss. »Stunden!«, sagte der Archäologe anzüglich. »Du brauchst Jahre, wahrscheinlich Jahrzehnte, um den Zusammenhang zu begreifen.«
»Marcon hat ein Buch geschrieben.« Temer bewies mit dieser Aussage, dass er sich tatsächlich im Archiv umgesehen hatte. »Es wurde niemals veröffentlicht, besitzt aber einen beträchtlichen Umfang und beinhaltet die unerhörteste Spekulation, die ich jemals gelesen habe.«
»Wie lautet der Titel?«, fragte Nerla Skeidev.
»Die Ritter der Tiefe«, sagte Sarder.
»Ist das der Wächterorden?«
»Genau das ist er.«
»Einen schönen Namen hast du dir ausgedacht«, sagte die Kosmoethnologin anerkennend.
»Ich habe ihn mir nicht ausgedacht«, protestierte Sarder. »Dieser Begriff ist in den uralten Überlieferungen erhalten.«
Dyke rief dazwischen: »Wir landen jetzt!«
Sarder war froh, dass die Diskussion über seine Arbeit unterbrochen wurde. Er traute keinem anderen zu, ernsthaft über den Gegenstand seiner Forschungsarbeiten zu sprechen. Manchmal dachte er mit einem Gefühl der Trauer an Kihnmynden; mit ihm hätte er über all diese Dinge reden können. Aber es war wenig wahrscheinlich, dass er noch einmal mit dem Arkoniden zusammentreffen würde. Er wusste nicht einmal, wo Kihnmynden sich heute aufhielt und ob er noch am Leben war.
Die ARSOLIKA glitt über die Berggipfel von Skuurdus-Buruhn hinweg. Sarder konnte kleinere Höhleneingänge erkennen, es schien ein ganzes System davon zu geben. Die höher gelegenen waren vermutlich von Schneemassen zugeweht.
Er reagierte erregt, als er sich vorstellte, dass er sich – vielleicht schon in wenigen Stunden – in den Felshöhlen befinden würde.
Dyke machte ihn auf eine Senke aufmerksam, die nur zum Teil mit Schnee bedeckt war. »Das Gelände scheint ziemlich eben zu sein. Außerdem handelt es sich um einen geschützten Platz, von dem aus wir ungestört operieren können.«
Sarder nickte dem Piloten zu.
Die Landung verlief ohne Komplikationen. Acht der zwölf Tellerbeine versanken im Schnee. Inzwischen hatte Vesten die Analyse der Atmosphäre abgeschlossen und festgestellt, dass die Luft auf Skuurdus-Buruhn atembar war. Die Temperatur außerhalb des Schiffes lag momentan drei Grad unter dem Gefrierpunkt. Die Eigenrotation des Planeten betrug knapp achtzehn Stunden. Die ARSOLIKA war auf der Tagseite gelandet, im Bereich des späten Nachmittags, und der wolkenverhangene Himmel schimmerte grünlich.
»Keine Anzeichen von Leben in der Nähe!«, meldete Vesten routinemäßig.
»Kurs, Nerla, Frelton und ich gehen zuerst hinaus und unternehmen einen kleinen Rundgang«, entschied Sarder. »Je nachdem, was wir entdecken, werden wir die nachfolgenden Expeditionen planen.«
Er wandte sich an die Aufgerufenen: »Auf jeden Fall legen wir unsere Schutzanzüge an und nehmen die Routineausrüstung mit.«
»Schleusen wir den Shift aus?«, erkundigte sich Dyke.
»Der Flugpanzer könnte uns bestenfalls bis zu einem Höhleneingang tragen, dann müssten wir ihn verlassen«, sagte Sarder. »Wir verlassen uns deshalb von vornherein auf unsere Flugaggregate. Ich möchte vor allem feststellen, ob es in der Nähe des Landeplatzes Zugänge zu den Höhlensystemen gibt.«
»Sagen die alten Geschichten etwas darüber aus, was wir in diesen Höhlen finden werden?«, wollte Skeidev wissen.
»Es gibt nur Hinweise auf eine Spur, aber niemand kann sagen, wie sie aussieht«, antwortete Sarder. »Womöglich finden wir überhaupt nichts.«
»Davon bin ich fast überzeugt«, kommentierte Temer. »Wenn tatsächlich der gesamte Gebirgszug von Höhlen durchzogen wird, ist es unwahrscheinlich, dass wir auf Anhieb Interessantes finden.«
»Wie lange willst du hierbleiben?«, fragte Dyke.
Die Vorräte an Bord reichten für ein paar Jahre, überlegte der Amateurarchäologe. Er hätte ein solches Opfer auf sich genommen, denn er war sicher, dass
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