Silberband 113 - Der Loower und das Auge
Forschungen vergingen Jahre. Die Einunddreißigste Dienerin des Donners war längst in die Höhle der Götter eingegangen, und ihr Nachfolger, der Zweiunddreißigste Diener des Donners, lenkte die Geschicke des valugischen Volkes, da ließ sich ein junger Valugi bei Chramron melden, dem Zweiunddreißigsten Diener. Der Valugi erklärte, er habe eine Maschine erfunden, die Metall schmelzen könne.
Eine Vorführung wurde anberaumt. Das Kernstück der Maschine war ein gewaltiger Metallkristall. Er stand auf einem schmalen Podest. Über ihm hing eine aus mehreren Windungen bestehende Spirale, die aus dem seit langer Zeit bekannten Kupfer gefertigt war. An beiden Enden verlief die Spirale zu dünneren, biegsamen Metallfäden, die zu einem Trog führten, in dem ein faustgroßes Stück Zinn lag. Die Metallfäden endeten auf der Oberfläche des Zinnblocks.
Der junge Erfinder schickte einige seiner Helfer unter den Dachfirst hinauf. Dort war eine Vorrichtung angebracht, mit der die Kupferspirale auf und ab bewegt werden konnte. Die Spirale senkte sich dabei über den Metallkristall, ohne ihn jedoch zu berühren.
Auf einen Befehl des jungen Valugi hin wurden die Helfer tätig. Die Spirale senkte und hob sich rhythmisch, und für geraume Zeit war unklar, was damit bezweckt werden sollte. Plötzlich aber schrie eine Frau in Chramrons Gefolge überrascht auf. Aller Blicke richteten sich auf den Trog mit dem Zinnklotz. Das Zinn glühte in schwachem Rot, während die Kräfte, die aus den Drahtenden quollen, seine innere Struktur zerstörten und es in eine Flüssigkeit verwandelten.
So wurde bei den Valugi die Elektrizität entdeckt – zu einer Zeit, als sie noch an den Gott des Donners und die übrigen Bewohner eines dicht besiedelten Götterhimmels glaubten.
Die Valugi entwickelten ihre Kultur nicht, obwohl, sondern weil sie Nomaden waren.
2.
Mit entelechischer Geduld ertrug Burnetto-Kup die seit Wochen andauernde Ereignislosigkeit an Bord der DROGERKOND. Es hatte Fehlschläge gegeben – Vorstöße ins Leere wie zuletzt, als sein Schiff den Ort einer gigantischen Explosion anflog, er dort aber nur eine halb erkaltete, sich langsam ausbreitende Gaswolke vorfand. Vergeblich alle Versuche, herauszufinden, was dort explodiert war. Er konnte nur vermuten, dass es sich um eine der Kosmischen Burgen gehandelt haben musste, die sich angeblich nahe der Materiequelle befanden.
Lediglich der Helk Nistor hätte vielleicht Licht in das Dunkel bringen können. Nistor war einer jener typisch loowerischen Roboter, die aus mehreren Segmenten bestanden und von denen jedes autark handeln konnte, sobald es die Situation erforderte. Aber Nistor verhielt sich schweigsam, und Burnetto-Kup hatte keinen Versuch unternommen, das zu ändern; es wäre ihm ohnehin nicht möglich gewesen.
Der Helk meldete sich nur dann, wenn es galt, einen neuen Kurs festzulegen.
Ihr Ziel war es, den ehrwürdigen Quellmeister Pankha-Skrin zu finden und ihm das geheimnisvolle Auge zu übergeben, das Nistor in sich trug. Dieses Auge wurde gebraucht, sobald der Vorstoß in den Bereich jenseits der Materiequellen beginnen sollte.
Für Burnetto-Kup, der sich fast ständig im Kommandostand der DROGERKOND aufhielt, schien dieser Tag wie so viele andere zu werden. Fast wünschte er sich die sechs aufsässigen Siganesen herbei, die auf Nistors Wunsch die Expedition begleiteten. Er hatte sich oft über sie geärgert – aber selbst dieser Ärger war der Monotonie des Tagesablaufs vorzuziehen.
Unvermittelt meldeten die Orter der DROGERKOND, dass sie am Rand ihrer Reichweite ein fremdes Objekt erfasst hatten.
Vavo Rassa gähnte ausgiebig und musterte dabei seine rechte Hand. »Mir wächst vor lauter Langeweile schon gelbe Haut zwischen den Fingern«, beklagte er sich.
Rassa, mit mehr als zehn Zentimetern Leibesgröße beinahe ein Gigant unter den Siganesen, war der unbestrittene Anführer des siganesischen Expeditionskorps auf der DROGERKOND. Der Helk Nistor hatte sich dunkel geäußert, er werde die Miniaturmenschen für seine Suche »im Kleinen« brauchen.
»Hör auf zu jammern«, mahnte Bagno Cavarett. Der Subschwingkreis-Kybernetiker hockte auf der Kante seiner Koje, der obersten in einem dreistöckigen Schlafgestell, und ließ die Beine baumeln. Er hatte einen kahl rasierten Schädel, weil er unter der ständigen Furcht lebte, es könne ein Haar in eines der empfindlichen positronischen Geräte fallen, mit denen er seine meiste Zeit verbrachte.
»Lass
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