Silberband 113 - Der Loower und das Auge
ein Buruhner, der eines der Opfer zu fassen bekam, dieses mit einer Art ausrollbarem Rüssel betastete. Danach stieß er es in den Morast zurück.
»Ich glaube, dass damit die Frage ihrer Ernährung geklärt ist.« Der Archaiker deutete auf eine Kaminöffnung in der Decke. »Schnee und Regen gelangen von dort in die Höhle und vermischen sich mit einer abgelagerten Humusschicht zu dem Schlamm, in dem die amöbenähnlichen Tiere leben. Sie werden von den Buruhnern regelrecht gemolken.«
»Das beweist noch lange nicht, dass die Schmetterlinge intelligent sind«, protestierte Kirdel.
»Einverstanden – und auch wieder nicht. Es gibt auf vielen Welten Tiere, die niedere Spezies regelrecht züchten, um sich von ihnen zu ernähren. Aber ich glaube, dass der Fall hier etwas anders gelagert ist.«
»Du willst sie abermals anquatschen?«
Sarder trat in die Höhle und schaute sich um. Die Buruhner, überlegte er dabei, konnten kaum mit jenen Wesen identisch sein, die das Höhlensystem ausgebaut hatten. Vielleicht waren sie deren Nachkommen oder ein Volk, das mit den Erbauern in ferner Vergangenheit hier gelebt hatte.
Obwohl sich die Buruhner nicht stören ließen, hatte er den Eindruck, dass sein Eindringen diesmal registriert wurde. Er sah, dass im Hintergrund der Halle Stapel der seltsamen großen Hüllen lagerten, und er zweifelte schon deshalb nicht mehr daran, dass die Buruhner eine Metamorphose durchmachten. Offenbar glichen sie nicht nur riesigen Schmetterlingen, sondern entwickelten sich auch so. Sobald sie aus einem Ei ausschlüpften, wuchsen sie zur Raupe heran, die sich nach einiger Zeit verpuppte und eine feste Hülle um sich herum aufbaute, aus der sich letztlich das schmetterlingsähnliche Geschöpf hervorzwängte.
»Ich habe einen aberwitzigen Gedanken«, raunte Sarder seinen Begleitern zu. »Vermutlich sind die Buruhner nicht in allen ihren Lebenszyklen intelligent. In der Form, die wir jetzt sehen, erinnern sie an friedliche und verspielte Kinder, die ausschließlich mit ihren eigenen Belangen beschäftigt sind. Ich möchte wissen, wie sie als Raupen aussehen, und vor allem, wie sie sich in jener Gestalt verhalten ...«
Er wurde unterbrochen, denn im Hintergrund der Halle tauchten weitere Buruhner auf. Sie schleppten zwei der großen Hüllen mit sich und trugen sie zu dem bereits eingerichteten Lager.
»Sie sorgen sich um den Nachwuchs«, kommentierte Arx.
Sarder hob den Translator. »Ich mache einen weiteren Versuch«, kündigte er an.
Angesichts der unerwarteten Vorgänge erkannten nun auch Arx und Kirdel, dass sie einem Geheimnis auf die Spur gekommen waren. Sarder ahnte indes, dass er seine Ungeduld zügeln musste, denn jeder überhastete Schritt konnte ihm den Zugang zur Wahrheit versperren.
Mit dem Translator in der Hand näherte er sich einer der mit Schlamm gefüllten Mulden. Zwei Buruhner standen dort, einer von beiden hatte soeben seine Mahlzeit beendet. Sarder gewann den Eindruck, dass dieses Wesen die Fühler auf ihn richtete. Die Augen bewegten sich allerdings nicht; vielleicht waren die Geflügelten ja tatsächlich blind.
»Wir sind Abgesandte der Ritter der Tiefe«, sagte Sarder in Interkosmo.
Der Translator arbeitete die vorgegebenen Sprachen ab. Der Buruhner reagierte nicht darauf.
»Auf diese Weise erreichen wir nichts«, wandte Sarder sich schließlich an seine Begleiter. »Wir müssen versuchen, eine der Raupen zu finden, aus denen sie hervorgehen.«
Als der Archaiker sich von der Mulde entfernen wollte, gab der Buruhner einen blökenden Laut von sich. Es klang wie der verwirrte Ruf eines einsamen Tieres. Der Translator übersetzte nicht.
Der Buruhner entfernte sich langsam von seiner Nahrungsquelle. Sarder folgte ihm und vergewisserte sich, dass Arx und Kirdel in seiner Nähe blieben.
Der Geflügelte nahm von ihm keine Notiz, ebenso wenig wie seine Artgenossen. An verschiedenen Schlammmulden herrschte großes Gedränge, aber Sarder hatte nicht den Eindruck, dass die Buruhner sich untereinander um die bevorzugten Plätze zur Nahrungsaufnahme stritten. Eher das Gegenteil war der Fall: Die Bewohner der Höhlen machten einen teilnahmslosen, ja lethargischen Eindruck.
Der Eingeborene ging bis zu einem Tunnel mit halbrundem Querschnitt. Dort gab er wieder einige Laute von sich, als tauschte er mit jemandem innerhalb der Röhre Informationen aus.
»Habt ihr schon einmal daran gedacht, dass wir in eine Falle geraten und angegriffen werden könnten?«, fragte Arx.
»Unsinn!«,
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