Silberband 119 – Der Terraner
Menschen mittlerweile gut genug, um Veränderungen ihrer Physiognomie halbwegs deuten zu können. Sie bemerkte, dass sich in Giftgelbs Gesicht aufkeimende Wut regte. Augenblicklich zeigte sie ein beruhigendes Farbenspiel auf ihrem Gesicht, um Aerts' Gedanken in andere Bahnen zu lenken. Das konnte sie inzwischen recht gut, obwohl ihre Fähigkeit im Kontor stark nachgelassen hatte.
»Du bildest dir viel auf dich ein, Robert«, sagte sie schnell. »Aber ich kenne schon jemanden wie dich.«
»Du willst mich auf den Arm nehmen?«
»Nein, wirklich«, beteuerte Mimi. »Ich habe im Kontor einen guten Freund, der dir sehr ähnlich ist, wenngleich er seinen kriminellen Neigungen nur im Geheimen nachgeht und nicht damit prahlt. Ich wollte Alja über ihn Bericht erstatten, aber sie gab mir keine Gelegenheit dazu.«
»Den muss ich kennenlernen!«
»Nur unter der Bedingung, dass du nicht weitersagst, was ich dir über ihn erzählt habe. Er soll sich dir selbst zu erkennen geben. Das wird er, sobald er erkennt, wie ähnlich ihr euch in gewisser Weise seid.«
»Wer ist es?«, fragte Aerts aufgeregt. »Ein Angestellter des Kontors, ein Terraner? Rede schon!«
»Ich nenne ihn Lausdick, aber er heißt John Nack«, sagte Mimi. »Ich führe dich zu ihm.«
Alarm heulte auf. Ordnungskräfte kamen Mimi und ihrem Begleiter entgegen und ließen sie nicht weitergehen. Albert, sagten sie, hatte ein robotisches Räumkommando ausgeschickt, um das widerrechtlich benützte Freigelände säubern zu lassen.
Mimi erreichte John Nacks Quartier und betätigte den Türmelder.
»Wen bringst du mit?« Lausdick betrachtete Aerts kritisch. »Ein neues Gesicht im Kontor, noch dazu ein Privatmann?«
Mimi stellte Aerts vor. »Er ist mit Rhodan gekommen«, sagte sie. »Aber die beiden sind keine Freunde. Aerts ist ein Spitzbube, und der Hanse-Chef hat es sich in den Kopf gesetzt, ihn zu bessern.«
Nack schüttelte Aerts die Hand. Mimi fiel auf, dass Giftgelb sich danach verstohlen die Hand an seiner Hose abwischte. Immerhin blickte er sich wohlgefällig in dem mit allem Komfort ausgestatteten Wohnbereich um. Sein Blick blieb an der automatischen Bar hängen.
»Funktioniert die Orgel?«, fragte er.
»Hier funktioniert alles«, antwortete John Nack stolz. »Ich habe hier in meinen vier Wänden noch nichts davon gemerkt, dass Albert nicht funktioniert. Okay, es gab einige kleinere Zwischenfälle, aber die waren nur gegen den Verwaltungsapparat gerichtet. Ich weiß, wie man Albert ...«
»Halt die Luft an, Dicker«, unterbrach Aerts den Redeschwall. »Bestell uns lieber ein paar Drinks, bevor die Positronik stillgelegt wird. Und wie steht es mit der Küche?«
John Nack grinste breit. »Nenn Albert deine Wünsche, er wird sie dir erfüllen. Nur sollten sie nicht zu ausgefallen sein, denn die Kost im Kontor war schon immer bescheiden.«
Aerts nannte seine Bestellung.
»Wird erledigt«, versprach die Positronik, und fünf Minuten später schwebten Essen und Getränke in einem Antigravfeld auf den Tisch.
»So lässt es sich leben«, stellte Aerts beeindruckt fest. »Wie kommt es eigentlich, John, dass du so von der Positronik verwöhnt wirst? Hast du eine besondere Protektion?«
»Für mich hat sich nichts geändert.« Lausdick lachte. »Ich lasse mich von der Hysterie nicht anstecken. Nicht wahr, Albert?«
»Es stimmt, John«, antwortete die Positronik. »Jeder im Kontor und in der Stadt könnte meinen Service beanspruchen.«
Aerts aß ohne Hast und plauderte dabei mit John. Mimi entging es nicht, dass er das Gespräch nur nützte, um John geschickt auszufragen. Auf diese Weise erfuhr er auch Mimis ganze Geschichte.
»Man könnte sie als Opfer einer Fehlschaltung bezeichnen«, erklärte John. »Mimi wurde einfach vergessen, und der Hypnoschuler arbeitete weiter. Jedes andere Wesen hätte einen geistigen Schaden erlitten, nicht so Mimi. Sie wurde zu einem Genie.«
»Es könnte auch anders gewesen sein«, überlegte Aerts. »Dass Albert sie richtig einschätzte und ihr die passende Lektion gab.«
»Das wäre eine Möglichkeit«, bestätigte John.
Mimi war überrascht, dass Aerts der Wahrheit so nahekam. Tatsächlich hatte die Positronik versucht, sie unter dem Hypnoschuler zu konditionieren. Doch aus irgendeinem Grund war sie gegen diese Beeinflussung immun.
Sie hatte das der Kontorchefin gemeldet und ihr angeboten, als Doppelagentin zu arbeiten, zum Schein auf die Befehle der von einem Fremdfaktor beherrschten Positronik einzugehen. Doch
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