Silberband 120 – Die Cyber-Brutzellen
nicht verlassen«, versicherte Mallagan. »Gestatte eine Frage, Bote Jons: Wohin soll die Reise gehen?«
Diesmal verzichtete Jons darauf, mit seinem vollen Titel angeredet zu werden. »Vielleicht nach Kran«, überlegte er. »Ihr legt Wert darauf, den Heimatplaneten kennenzulernen. Sollte ich mich irren?«
»Wir wollen schon lange nach Kran«, bestätigte Mallagan.
»Dann bin ich sicher, dass wir uns einigen werden.« Mit einer Bewegung deutete Jons an, dass die Besprechung beendet war. »Ihr findet eure neue Unterkunft auf diesem Korridor. Geht ihn weiter, bis sich eine Tür öffnet. Es ist alles vorbereitet, und ihr werdet alles finden, was ihr benötigt.«
Die KARITZ startete wenige Tage später. Als das Schiff auf die Zeitbahn glitt und die Sterne von den Schirmen verschwanden, kündigte der Orakel-Bote den Betschiden seinen Besuch an. Er wünschte eine zweite Unterredung.
»Ich nehme an, wir werden endlich erfahren, was er von uns erwartet«, kommentierte Mallagan. »Seit einigen Stunden sind wir in Richtung Kran unterwegs, wenn er uns nicht belogen hat.«
»Warum sollte er das – uns belügen?«, fragte Scoutie.
Jons erschien schneller als erwartet. »Ich hoffe, ihr fühlt euch den Umständen entsprechend wohl«, begann er das Gespräch. »Der Zeitpunkt für ein Gespräch ist gekommen. Zuerst muss ich eine Sache klären, die Zweifel in mir auslöst. Ihr habt erwähnt, es sei euer Wunsch, nach Kran zu gelangen. Dabei wurde für mich der Eindruck erweckt, als hättet ihr Kran nie gesehen. War das als Täuschungsmanöver gedacht?«
Obwohl Mallagan ziemlich überrascht war und den Sinn der Einleitung nicht verstand, ließ er sich nichts anmerken. »Warum sollten wir dich täuschen wollen, Jons?«, stellte er seine Gegenfrage und ließ sogar den Titel weg. »Selbst wenn wir schon auf Kran gewesen wären, könnte es trotzdem unser Wunsch sein, dorthin zu gelangen. Was wäre daran unlogisch oder widersprüchlich?«
Jons' Lächeln wirkte nicht echt. »Eigentlich nichts, aber ich brauche Gewissheit. Darum frage ich euch jetzt und erwarte eine eindeutige Antwort: Seid ihr jemals auf dem Planeten Kran gewesen?«
Scoutie und Faddon schwiegen wohlweislich und überließen das Gespräch ihrem Freund. Mallagan zögerte. Durchdringend schaute er den Kranen an. Für einen Augenblick war Jons offensichtlich verwirrt, dann gewann seine Autorität die Oberhand. »Ich erwarte eine Antwort, Mallagan! Also noch einmal: War einer von euch jemals auf Kran?«
»Nein!«, sagte Mallagan mit fester Stimme. »Keiner von uns war jemals dort. Das ist die Wahrheit.«
Der Orakel-Bote zeigte so etwas wie Enttäuschung. »Ich glaube dir nicht, denn solche Zufälle kann es nicht geben«, sagte er. »Wie dem auch sei, meine Absichten ändern sich nicht. Ich werde euch nach Kran bringen, ob ihr jemals dort gewesen seid oder nicht. Und ihr werdet auf Kran genau das tun, was ich von euch verlange. Ihr werdet mir eine Audienz beim Orakel verschaffen!«
Mallagan war verblüfft. Auch Scouties und Faddons Mimik verriet Fassungslosigkeit und Erstaunen. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis Mallagan überhaupt reagierte. »Eine ... was?«, brachte er stockend hervor.
»Ein Zusammentreffen mit dem Orakel. Ist das schwer zu verstehen?«
»Es ist überhaupt nicht zu verstehen, Jons. Du bist der Bote des Orakels, von dem wir nur Gerüchte kennen und nicht einmal wissen, was es ist und ob es überhaupt existiert. Jeder Krane muss hingegen annehmen, dass du das Orakel kennst und ihm oft begegnet bist. Soll dein Verlangen bedeuten, dass du das Orakel selbst noch nie gesehen hast?«
»Das stimmt. Ich habe es nie gesehen, obwohl ich sein Bote bin. Das mag unlogisch klingen, ist es jedoch nicht. Ich weiß, dass Wesen wie ihr dem Orakel nahestehen.« Jons schloss kurz die Augen. Er wirkte müde und schlaff, irgendwie einer Hoffnung beraubt. »Ihr seid wirklich niemals auf Kran gewesen?«
»Nein!«, sagte Mallagan, härter als zuvor. »Niemals! Ich glaube, du bist uns einige Erklärungen schuldig, meinst du nicht auch?«
»Das glaube ich nicht. Später vielleicht. Ich muss nachdenken und Entscheidungen fällen, die euch betreffen.« Der Orakel-Bote stand auf und ging zur Tür, dort drehte er sich noch einmal um. »Es wäre mir lieb, wenn ihr euer Quartier vorerst nicht verlassen würdet. Die Tür bleibt natürlich weiterhin unverschlossen.«
Scoutie schaute dem Kranen nach. Nachdem er den Raum verlassen hatte, schüttelte sie langsam den Kopf.
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