Silberband 120 – Die Cyber-Brutzellen
vorbereitet werden«, sagte der Offizier. »Soll ich die Besatzung informieren?«
»Das muss wohl sein«, knurrte Keros. »Ich werde eine kurze Informationsansprache vorbereiten. Ich möchte in wenigen Minuten im Nest eingeschleust werden.«
Keros hielt eine sehr kurze Rede, eigentlich unterstrich er nur die Bedeutung des bevorstehenden Besuchs. Er ließ durchblicken, dass der Bote Jons vielleicht schon persönlich dem geheimnisvollen Orakel gegenübergestanden habe, was seine Bedeutung wesentlich erhöhe. Er befahl Ordnung, Disziplin und höchste Ehrerbietung.
In der Kommandozentrale des Nestes blitzte bald alles vor Sauberkeit. Keros wurde permanent nervöser, obwohl er sich hartnäckig einredete, keinen Grund dafür zu haben. Er schreckte zusammen, als der Kommunikationsoffizier sein Nachdenken unterbrach.
»Das Schiff hat die Zeitbahn verlassen und nähert sich dem Nest.«
Wenig später erschien es auf dem großen Schirm der Kommandozentrale. Gelb leuchtete auf der Hülle das Signet der Herzöge.
Keros überwand das Zittern in den Knien und begab sich in den Hangar, in dem alle Unterkommandanten und Offiziere schon angetreten waren, um den Gast zu begrüßen.
Das verhältnismäßig kleine Schiff schwebte ein. Erst Minuten danach öffnete sich die Hauptluke. Eine Rampe wurde ausgefahren, mit einem prächtigen Teppich belegt. Das Empfangskomitee nahm Haltung an. Keros hob die Hand zum Gruß, als in der Luke der Orakel-Bote erschien.
In diesem Moment war es dem Kommandanten, als habe ihm jemand einen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf geschüttet. Fassungslos begegnete er dem forschenden Blick des Boten.
Der Krane Jons war nur knapp über zwei Meter groß und erst sechzehn Jahre alt, was seinem Selbstbewusstsein jedoch keinen Abbruch tat. Es waren glückliche Umstände gewesen, die ihm sein hohes Amt eingebracht hatten.
Sein Auftrag, das Nest der 17. Flotte nach der erfolgreichen Bekämpfung der Spoodie-Seuche zu inspizieren, erschien ihm als Routineangelegenheit, der er nicht viel Bedeutung beizumessen hatte. Seiner eigenen Bedeutung hingegen war er sich durchaus bewusst.
Als sein Schiff aus der Zeitbahn glitt und die Sterne wieder sichtbar wurden, verzog er sein Gesicht zu einem spöttischen Lächeln. Im war bewusst, welche Aufregung sein Besuch hervorgerufen haben mochte.
Dass Kommandant und Offiziere zu seinem Empfang angetreten waren, sah Jons als Selbstverständlichkeit an. Doch dann registrierte er die maßlose Verblüffung und Enttäuschung des Kommandanten, der seine zum Gruß erhobene Hand wieder sinken ließ, ehe der Bote des Orakels diesen Gruß erwidert hatte.
Meine Jugend bringt ihn außer Fassung. Jons unterdrückte seinen aufsteigenden Zorn. Keros ist einer von jenen, die hohe Ämter als Vorrecht der Älteren betrachten. Er nimmt mich nicht ernst ...
Würdevoll ging Jons die Treppe hinab. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er der Überlegene war. Vor dem Kommandanten blieb er stehen.
»Kommandant Keros, nehme ich an. Ich bin Jons, Orakel-Bote und direkter Gesandter der Herzöge. Für den überaus korrekten Empfang danke ich dir. Ich werde mich mehrere Tage im Nest aufhalten und bitte darum, dass mir alle Tagesberichte der vergangenen Wochen vorgelegt werden.« Sein Ton wurde um eine Nuance schärfer. »Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
Keros' Gesicht blieb ausdruckslos, als er antwortete. »Verstanden, Orakel-Bote Jons. Die Berichte wurden bereits vorbereitet, du wirst zufrieden sein.«
»Das hoffe ich. Führe mich in die Speicherzentrale, ich will sofort mit der Arbeit beginnen.«
Keros ging vor Jons her. Beide sprachen kein Wort miteinander, bis der Kommandant die Tür zur Speicherzentrale erreichte und diese sich automatisch öffnete. Er ließ dem Boten den Vortritt.
»Das Personal steht zu deiner Verfügung, Bote Jons.«
»Orakel-Bote Jons!«, korrigierte der junge Krane mit Nachdruck. Keros nickte nur und entfernte sich.
Jons sah sich um. Die Speicherelemente nahmen den meisten Platz ein. An den Kontrollen arbeiteten ausnahmslos Lysker, ein Krane hatte die Aufsicht.
»Ich möchte die Aufzeichnungen von Anfang an«, sagte Jons dem Kranen. »Die Seuche und alles, was damit zusammenhängt. Ebenso, was danach geschah. Der Reihe nach, bitte.«
Während sich Jons die Berichte ansah, kehrte Keros in die Kommandozentrale zurück. An seiner Enttäuschung hatte er zu knabbern. Unter einem Boten des Orakels hatte er sich mehr vorgestellt als nur einen unreifen
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