Silberfieber
Informationen?«
»Nein, es lag bestimmt nicht an fehlender Information«, sagte Frederic Ross, »es waren alle gut vorbereitet. Der Gefangenentransporter stand bereit. Bis zu zwanzig Beamte waren im Einsatz, die ihn an der Passkontrolle erwartet haben. Aber leider ist er gar nicht bis dort gekommen.«
»Das kann doch nicht wahr sein«, sagte Christine Keller, die merkte, wie der aufsteigende Ärger und das Adrenalin ihre Erschöpfung vertrieben. Die Nachricht vom erneuten Entkommen McGuffins wirkte wie ein leichter Schock. Wie lange sollte sie noch hinter diesem Phantom herjagen?
»McGuffin hatte Hilfe«, erklärte Captain Ross, »bitte glauben Sie mir, wir sind genauso sauer darüber wie Sie. Bill und ich …«, er nickte zu dem mit verschränkten Armen an der Fensterbank lehnenden Grimsby hinüber, »sind seit drei Wochen auf der Suche nach dem Mörder von dem armen Kerl in der Cruden Bay. Ihr Telefonanruf von gestern hat uns den entscheidenden Hinweis gegeben. Sie müssen uns glauben, Christine, wir setzen alles daran, diesen Kerl zu fassen. Die Panne in Montreal war dilettantisch.«
»Wenn Fred und ich dabei gewesen wären, wäre das nicht passiert, aber Montreal, wer will uns da schon?«, sagte Bill resigniert und stützte seine Arme wieder auf das Fensterbrett.
»Schon gut, Bill, Christine wird uns eine genaue Beschreibung von McGuffin geben und uns die Tatverläufe schildern, und dann machen wir uns morgen gleich an die Arbeit.« Er nieste, und ein weiteres Papiertaschentuch wanderte in den Abfallkorb unter dem Besprechungstisch. Dann strich er sich nochmals prüfend mit dem Handrücken über die Nase. Bill Grimsby blickte erneut zur Wanduhr. Nein, dachte Christine Keller, heute hatten sie alle drei wahrlich nicht mehr die Kraft und Energie, die Jagd aufzunehmen.
»Was für Hilfe hatte er auf dem Flughafen?«, fragte sie.
»Er ist aus dem Flugzeug von Zürich gestiegen, und es schien so, als wolle er auf dem Rollfeld mit den anderen Passagieren auf den Bus warten. Dann kam ein Sportflugzeug vom benachbarten Flugfeld angefahren. McGuffin ist hingelaufen und wurde mitgenommen. Der Sicherheitsdienst hat sogar noch rechtzeitig reagiert und einen Jeep hingeschickt. Aber sie waren nicht schnell genug, sodass das Sportflugzeug mit McGuffin auf und davon ist. So war das.«
Christine Keller seufzte.
»Auf Nimmerwiedersehen verschwunden also«, sagte sie.
»Aber nicht doch«, sagte Frederic Ross und lächelte. Es war ihm anzusehen, dass er froh war, wenigstens noch eine gute Nachricht in der Hinterhand zu haben.
»Das Sportflugzeug ist ein Oldtimer, eine Piper PA 12, davon gibt es nicht sehr viele. Sie ist in Halifax registriert und gehört Ronald van Bronckship, einem reichen Geschäftsmann aus Montreal. Er hat sein Geld mit Diamantminen in Südafrika gemacht. Vor etwa fünfzehn Jahren ist er hier aufgetaucht, hat Grundbesitz erworben und sich einen Ferienwohnsitz eingerichtet. Er ist einer von den Irren, die sich in den Kopf gesetzt haben, den Schatz von Wavy Island zu heben.«
»Den Schatz von Wavy Island?«, fragte Christine Keller. Sie dachte, sie hätte sich verhört.
Frederic Ross lachte über ihr erstauntes Gesicht, und auch Bill Grimsby hatte nicht mehr zur Uhr gesehen, sondern schon seit einer ganzen Weile gespannt auf Christines Reaktion auf die Nachricht vom Schatz gewartet.
»Bill, erzähl du ihr die Geschichte von unserem Piratenschatz, aber bitte nicht so blumig wie unsere Tourist Guides. Ich besorge uns mal Kaffee.«
43
Als Captain Frederic Ross zurückkehrte, trug er ein Tablett mit Henkel, wie es Christine Keller noch nie zuvor gesehen hatte. Es stellte sich als Plastikuntersatz heraus, der eigens für den Transport von großen Pappbechern gedacht war, in denen heißer Kaffee dampfte. Ross versorgte alle mit den gewünschten Milch- und Zuckermengen, die, ebenso wie der Kaffee, in mehr als ausreichender Menge vorhanden waren. Nebenbei hörte er zu, wie Bill Grimsby seine Kurzversion der Schatzsuchergeschichte von Wavy Island beendete.
»Ist das wahr, Captain? Der Mörder jagt einem vergrabenen Schatz hinterher oder einer Schatzkarte?«, fragte Christine Keller. Ross reichte ihr lächelnd den Kaffeebecher, der in einer Manschette aus Pappe steckte, damit sich niemand die Finger verbrannte.
»Glauben Sie etwa, mein Bill hier würde Ihnen Märchen erzählen?«, antwortete Ross. »Nein, es stimmt tatsächlich, ein paar Kilometer von hier liegt angeblich der letzte unentdeckte große
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