Silberfieber
»Nur ein paar der alten Clan-Familien wollten nicht verkaufen. Man munkelt, dass sie zwar ihre Rechte abgegeben haben, aber noch immer eine Art Erfolgsbeteiligung besteht, falls doch was gefunden wird.«
Christine Keller hatte jetzt endgültig genug Abenteuergeschichten gehört. Um alles verdauen zu können, würde sie ohnehin länger als eine durchgeschlafene Nacht brauchen.
»Wie sollen wir nun weiter vorgehen? Was schlagen Sie vor?«, fragte sie dann.
»Wie Bill schon sagte, wir überwachen die Insel. Sehen ab und zu mal nach, ob jemand auftaucht, und wenn dieser Daniel McGuffin dabei ist, nehmen wir ihn fest«, sagte Captain Ross, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. »Sie können gerne morgen früh gleich mitkommen. Wenn Sie gegen neun Uhr hier sind, können wir sofort losfahren«, fügte er hinzu.
Christine Keller betrachtete nachdenklich ihre neuen kanadischen Kollegen, die ihr gerade die wohl ungewöhnlichste Fahndungsmethode dargelegt hatten, von der sie je gehört hatte. Wenn ihre schmerzende Nase sie nicht daran erinnern würde, dass das hier alles wirklich geschah, würde sie langsam beginnen, an ihrem Verstand zu zweifeln.
»Sie legen sich auf die Lauer, was? Wie eine … Spinne?«, fragte sie.
Captain Ross zeigte tapfer sein breitestes Lächeln, obwohl er gerade wieder mit einem frischen Taschentuch beschäftigt war.
»Wavy Island verschwindet nicht. Jedenfalls nicht besonders lange.«
44
»Was meinst du, welche sollen wir nehmen?«
Frank stand unschlüssig im einzigen Warehouse in Bridgetown, Nova Scotia, einem kleinen Ort circa fünfzig Kilometer vor der Cruden Bay, und konnte sich nicht entscheiden, welche Spitzhacke sich am besten für die Bergung eines Silberschatzes eignete, der der spanischen Fregatte Santa Cartagena im 18. Jahrhundert abhanden gekommen war.
Die Auswahl war nicht besonders groß. Genau genommen gab es nur zwei Sorten, und von jeder Spitzhacke waren noch drei Stück vorhanden. Die einfache Ausführung sollte dreißig Dollar kosten, die etwas luxuriösere, zu erkennen an der Lederumwicklung am Griff, war für fünfundfünfzig Dollar zu haben. Peter ließ die drei bis oben hin mit Ausrüstungsgegenständen vollgepackten Einkaufswagen stehen, um sich mit Franks Problem zu befassen.
»Du weißt doch, was man über die Zeit des Goldrausches sagt.«
»Nein, weiß ich nicht«, sagte Frank missmutig. »Woher denn auch?« Er hätte den langen Tag nach der Landung in Halifax nun auch gut beenden können. Aber Professor McCully hatte darauf bestanden, keine Zeit zu verlieren. So hatten sie sich sofort bei der nächsten Autovermietung am Flughafen einen fast neuen Jeep Grand Cherokee gemietet, der zwar mit einem in Nordamerika üblichen Automatikgetriebe ausgerüstet war, aber zusätzlich über einen zuschaltbaren Vierradantrieb mit allen nur denkbaren Regulierungsvarianten verfügte. Nach einer fast dreistündigen Fahrt über die im Dunkeln liegende Halbinsel Nova Scotia auf der Bundesstraße 101 in Richtung Cruden Bay kamen sie in Bridgetown an. Ohne voneinander zu wissen, befanden sie sich nur noch fünfzehn Kilometer vom nächsten Ort Digby entfernt, wo Frau Keller im County-Gebäude zur gleichen Zeit mit Captain Ross und Sergeant Grimsby sprach. In Bridgetown hatten sie nur angehalten, weil sie dort ein Warehouse fanden, das noch geöffnet hatte. Der Einkauf einer kompletten Goldgräberausrüstung, wie McCully es bezeichnete, sollte der letzte Programmpunkt des Tages sein, bevor sie sich im Ort ein Motel suchen würden.
Im Gegensatz zu Frank war Peter noch immer bester Laune. Die Abenteuerlust hatte ihn gepackt. Während der Fahrt hatte er Spekulationen angestellt, wie sie am geschicktesten ihre Ausgrabung beginnen konnten, und hatte mit Professor McCully Pläne für den Ablauf des morgigen Tages geschmiedet.
McCully war begeistert auf Peters Fragen und Vorschläge eingegangen, wenn er auch hin und wieder aufmerksam zu Frank herübergesehen hatte, der die meiste Zeit schweigend mit dem Kopf an die Seitenscheibe des Jeeps gelehnt vor sich hin gedöst hatte.
»Es heißt, dass von den Goldsuchern nur die wenigsten selbst reich geworden sind. Diejenigen aber, die Hacken und Schaufeln verkauft haben, sind ohne Ausnahme alle reich geworden«, sagte Peter.
Frank sah zu dem dickbäuchigen Verkäufer hinüber, der mit einem Grinsen im Gesicht, das wie festgewachsen schien, hinter seiner Theke auf und ab schlenderte und relativ häufig zu ihnen herüberschaute. Es
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