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Silberfieber

Silberfieber

Titel: Silberfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wuehrmann
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Sie schon!
    In der Eingangstür stand ein mittelgroßer Mann in einer dunkelbraunen Uniform. Sein Hemd spannte sich über einem ansehnlichen Bauch. Als sie auf ihn zuging, erkannte sie über der Hemdtasche ein Abzeichen des Yarmouth County Department. Zur Uniform passten zwar die festen schwarzen Stiefel, weniger aber die hellblonden Bartstoppeln, die sich unregelmäßig auf der unteren Gesichtshälfte des Mannes ausbreiteten. Obwohl er noch jung war, nicht älter als dreißig, waren ihm auf dem Kopf nur ein paar seitlich abstehende Büschel verblieben.
    »Sie müssen Mrs. Keller aus Deutschland sein, richtig?« Der Mann, der sie mit einem breiten Lachen und einer gesunden roten Gesichtsfarbe begrüßte, wartete erst gar nicht auf ihre Antwort. »Herzlich willkommen in Nova Scotia, Frau Kollegin, kommen Sie doch herein.«
    Er wollte ihr die Tür aufhalten, ergriff dann aber lieber die ihm von Christine Keller zum Gruß hingehaltene Hand.
    »Guten Abend, Mr … Ross?«
    Christine Keller sah ihn fragend an.
    »Nein, nein, ich bin Bill Grimsby, aber sagen Sie bitte nur Bill, wir nennen uns hier alle beim Vornamen. Ihr Englisch ist wirklich gut! Fred ist dort hinten.«
    Christine Keller hatte zwar mit unkomplizierten Gepflogenheiten der amerikanischen Art gerechnet, war sich aber doch unsicher, ob sie sich an die Aussprache ihres Vornamens durch die Kanadier gewöhnen könnte.
    »Christine, es freut mich, Sie zu sehen, setzen Sie sich doch bitte.«
    Ihr Vorname klang aus dem Mund des Mannes, der sie jetzt angesprochen hatte, gar nicht unangenehm. Die Routine, mit der hier jeder beim Vornamen genannt wurde, verblüffte sie.
    Captain Frederic Ross war etwa fünfundfünfzig Jahre alt und trug, anders als sein Untergebener, keine Uniform, sondern Jeans und eine helle Windjacke über einem roten Wollhemd. Wie Bill Grimsby hatte auch er ein gerötetes Gesicht, auch wenn er das nicht ganz so wirksam zur Geltung bringen konnte wie Grimsby, da seine dicke, rote Nase noch stärker die Blicke auf sich zog. Sie rührte eindeutig von einer Erkältung her, Christine Keller war es unangenehm aufgefallen, dass Frederic Ross sich in der kurzen Zeit ihrer Anwesenheit bereits zum zweiten Mal geschnäuzt hatte. Sein Schnupfen erinnerte sie an den eigenen lädierten Zustand. Ross war kleiner als Grimsby, etwa eins fünfundsiebzig groß, aber wesentlich schlanker und mit glatt rasiertem Kinn. Er hatte kurz geschnittenes graues Haar und machte auf sie nicht den Eindruck eines Provinzsheriffs. Bis auf seine triefende Nase wirkte er für sein Alter durchtrainiert und fit.
    »Haben Sie sich verletzt?«, fragte Frederic Ross, merkte aber gleich, dass er präziser werden musste, weil ihre Verletzung zu offensichtlich war.
    »Ich meine, wurden Sie in einen Kampf verwickelt?«
    »Nicht direkt«, antwortete Christine Keller ausweichend, entschloss sich dann aber doch, ihren Kollegen den Mord an Franz Felgendreher in allen Einzelheiten zu schildern. Dazu gehörte leider auch die Tatsache, dass der Flüchtende ihr mit einer zuschlagenden Tür die Nase gebrochen hatte. Zur Ehrenrettung konnte sie wenigstens hinzufugen, dass sie einen Schuss auf McGuffin hatte abgeben können.
    Sie hatte sich an eine Art Besprechungstisch Sergeant Ross gegenübergesetzt, der sie von seinem eigenen mit Papieren und Akten übersäten Schreibtisch hierherdirigiert hatte. Sergeant Grimsby stand mit dem Rücken zum Fenster und stützte sich mit den Armen auf die schmale Fensterbank hinter sich. Neben ihm grinste ein Kürbis in verblichenem Orange und mit eingeschnitzten Löchern für Augen, Mund und Nase. Halloween war seit einer Woche vorbei. Grimsby überließ die Unterhaltung seinem Chef, doch Christine Keller merkte, dass er ab und zu auf die Uhr an der gegenüberliegenden Wand des Raumes blickte.
    Als Christine Keller ihre Schilderung beendet hatte, sagte Captain Ross:
    »Ich fürchte, ich habe noch ein paar schlechte Nachrichten für Sie, Christine. Der Bundespolizei in Quebec ist es leider nicht gelungen, Daniel McGuffin zu ergreifen.«
    Christine Keller zeigte außer einem leichten Kopfschütteln keine Reaktion.
    »Wie konnte er nur schon wieder fliehen?«, fragte sie leise. Müde betrachtete sie die Ränder der gesplitterten Tischplatte vor sich. Als keiner der beiden kanadischen Polizisten antwortete, fragte sie lauter: »Wie konnte das passieren? Er hat doch gestern in Zürich eingecheckt, und jeder wusste, dass er in Montreal landen würde. Hatten Sie nicht alle

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