Silberfieber
von mir aus auf dem Mond suchen.«
Michael sah nicht so aus, als würde ihn dieser Plan überzeugen, doch Katja kam ihm wieder zuvor.
»Wie lange willst du bleiben?«, fragte sie.
»Bis Sonntag, abends bin ich wieder zurück. Ich schaue nur mal kurz bei Peter vorbei, und am Montag bringe ich dem Professor seine Karte zurück.«
»Und danach gehst du sofort zur Polizei und erklärst denen, dass du gestern überfallen worden bist. Sonst brauchst du dich gar nicht mehr bei mir zu melden«, sagte Katja.
»Ja, natürlich«, sagte Frank und wartete anschließend vergeblich auf ihre Wünsche für eine gute Reise. Dann legte er den Hörer auf.
»Was ist denn, wenn jetzt Einstein zu Professor Pfleiderer geht und genauso über ihn herfällt wie über dich, weil er ihm die Karte abnehmen will?«, fragte Michael. »Immerhin ist er nicht gerade zimperlich mit dir umgegangen.«
»Keine Sorge«, sagte Frank, »soweit ich weiß, ist Pfleiderer verreist und kommt erst nächste Woche zu seinen Vorlesungen zurück. Sonst hätte ich doch Einstein nicht so einfach zu ihm geschickt. Außerdem wird der gute Einstein schon die Lust verlieren, wenn er das ganze Wochenende umsonst nach der Karte sucht.«
»Soll ich dich eigentlich zum Flughafen fahren?«, fragte Michael.
»Nein, ich nehme den Zubringerbus vom Hauptbahnhof zum Flughafen in Lübeck und dann den Billigflieger nach Stansted. Habe ich alles schon gebucht. Aber du kannst mir dein GPS-Handy leihen, wenn du willst. Das kann ich unterwegs bestimmt gut gebrauchen.«
»Kein Problem«, sagte Michael und kramte auf seinem mit Papier übersäten Schreibtisch nach dem Handy. »Hier, damit du dich in London nicht verläufst«, sagte er spöttisch und reichte ihm ein mit gelbem Plastik überzogenes Gerät, das von einem normalen Mobiltelefon nicht zu unterscheiden war.
»Und wenn du wieder zurück bist, würde ich gerne mal einen Blick auf diese geheimnisvolle Karte werfen«, sagte er, während Frank das GPS-Handy einsteckte und sich seinen Rucksack überwarf.
»Aber klar doch, ich bin doch selbst neugierig geworden, weshalb Einstein so scharf darauf ist.«
Dann sah er seinen Freund nachdenklich an.
»Und falls Katja sich bei dir meldet, beruhige sie doch bitte ein bisschen, ja?«
Michael nickte noch, als er in der Wohnungstür stand und zusah, wie Frank die Treppenstufen hinablief.
»Hasta la vista«, sagte er leise.
5
Ein kalter Wind wehte Frank entgegen, als er an der Liverpool Street Station aus dem Flughafenbus ausstieg und die Rolltreppe zur U-Bahn hinunterfuhr. Bei seinem letzten Besuch in London im hochsommerlichen August hatte ihm die kochend heiße Luft, die aus den U-Bahn-Schächten heraufströmte, noch den Atem verschlagen. Hätte man damals auf den Straßen über den Einstiegen, die zu den Zügen hinabführten, riesige Dampfdruckventile angebracht, hätten die Pfeiftöne den Menschen das Trommelfell zerfetzt, dachte er.
Er erreichte den letzten Wagen eines Zuges der grünen District Line, die London in Ost-West-Richtung durchquerte, und stieg an der Station Earls Court aus, dem Stadtteil, in dem Peter wohnte.
Frank kannte ihn von einem Basketballturnier, zu dem die Hamburger Universitätsmannschaft vor fünf oder sechs Jahren nach London gereist war. Peter sah aus wie eine Miniaturausgabe von ihm selbst, obwohl er nicht ganz so groß war und nicht ganz so lange und auch nicht ganz so blonde Haare hatte. Dafür war er wendig, begeisterungsfähig und alles in allem praktischer veranlagt als Frank. Peter hatte, obwohl er mit achtundzwanzig genauso alt war wie Frank, sein Geophysikstudium bereits abgeschlossen. Sofort nach dem Studium war ihm eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der University of London angeboten worden, die er ohne zu zögern angenommen hatte. Jetzt arbeitete er mit einem Eifer, um den Frank ihn beneidete.
Frank fürchtete sich vor der Zeit nach dem Studium, stand ihm damit doch der Wechsel in ein wenig abwechslungsreiches Berufsleben bevor. Während des Studiums hatte er immer genügend Zeit mit seiner Lieblingsbeschäftigung verbringen können, die darin bestand, sich in der Gegend herumzutreiben und möglichst viel von der Welt zu sehen.
Nicht zuletzt deshalb hatte er viel zu viel Zeit mit der Suche nach einem Thema für seine Diplomarbeit verschwendet. Irgendwann hatte Katja die Geduld verloren und ihn gedrängt, nach London zu fahren, um Peter Adams um Hilfe zu bitten. Sie hatte es nicht länger mit ansehen können, wie er
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