Silbermantel
Tanz. Es war mehr als nur ein Tanz. Manche Männer, so schien es, waren für eine Sache geboren; das traf hier zu.
Denn sie erkannte zu ihrem Schrecken, zu ihrer Bestürzung., dass es sich von Anfang an um ungleiche Gegner gehandelt hatte. Fünfzehn von ihnen, mit Waffen und scharfen Zähnen für den Nahkampf, gegen den einen Mann mit der langen Klinge, die in seiner Hand blitzte, und sie erkannte, dass er siegen würde. Mühelos würde er siegen.
Es dauerte nicht lange. Nicht einer der fünfzehn Svart Altar überlebte. Nur ein wenig außer Atem säuberte er sein Schwert und steckte es in die Scheide, ehe er, die tiefstehende Sonne im Rücken, den Pfad entlang auf sie zukam. Seine dunklen Augen, sah sie, blickten düster drein.
»Ich hatte dir befohlen, weiterzureiten«, tadelte er sie. »Ich weiß. Ich tue nicht immer, was man mir befiehlt. Ich dachte, davor hätte ich dich gewarnt.«
Er schwieg und sah zu ihr auf. »Ein ›wenig‹ Geschick«, imitierte sie ihn treffend.
Sein Gesicht, bemerkte sie mit Vergnügen, hatte plötzlich einen scheuen Ausdruck angenommen.
»Warum«, fragte Kim Ford, »hast du so lange gebraucht?« Zum allerersten Mal hörte sie ihn lachen.
Sie erreichten Paras Derval in der Dämmerung, und Aileron hatte sich das Gesicht verhüllt, um unerkannt zu bleiben. Sobald sie in der Stadt waren, begaben sie sich rasch und in aller Stille zu Lorens Quartier. Sie fanden den Magier dort vor, zusammen mit Matt und Kevin Laine.
Kim und Aileron erzählten ihre Geschichte und fassten sich dabei so kurz, wie sie konnten; es war wenig Zeit. Sie sprachen flüsternd über Paul, als sie hörten, dass sich im Westen der Donner verstärkte.
Und dann, als sich zeigte, dass es etwas Wichtiges gab, wovon weder sie noch der Prinz wussten, erzählte man ihnen von Jennifer.
Worauf sich offenbarte, dass ungeachtet einer verschreckten Katze oder eines Königtums, das sie brauchte, die neue Seherin von Brennin genau wie jeder andere dazu fähig war, zusammenzubrechen.
*
Zweimal während dieses Tages dachte er, nun sei es mit ihm zu Ende. Die Schmerzen waren überwältigend groß. Inzwischen hatte er einen schlimmen Sonnenbrand und fühlte sich so ausgetrocknet. So ausgetrocknet wie das Land, worauf es, wie er sich vor einiger Zeit überlegt hatte – vor wie langer Zeit eigentlich? – vermutlich ankam. Der Verbindungspunkt. Manchmal erschien ihm alles so einfach, ließ sich auf so fundamentale Übereinstimmungen reduzieren. Dann wieder begannen seine Gedanken zu wirbeln, abzugleiten, und im Abgleiten verschwand auch alle Klarheit.
Vermutlich war er der einzige Mensch in Fionavar, der nichts davon sah, als der Berg sein Feuer ausspuckte. Die Sonne war ihm Feuer genug. Er hörte das Lachen, war jedoch so weit entrückt, dass er es anderswo ansiedelte, in seiner persönlichen Hölle. Der Schmerz, den es auslöste, traf ihn auch dort; er blieb nicht davon verschont.
Diesmal waren es die Glocken, die ihn wieder zu Bewusstsein kommen ließen. Danach war er einige Zeit bei klarem Verstand und wusste, woher das Läuten kam, wenn auch nicht, warum. Seine Augen taten weh; sie waren vom Sonnenbrand verschwollen, und er war entsetzlich ausgedörrt. Die Sonne schien heute eine andere Färbung aufzuweisen. Jedenfalls kam es ihm so vor. Was wusste er schon? Er war so wirr im Kopf, nichts durfte man noch für bare Münze nehmen.
Dennoch läuteten in Paras Derval die Glocken, dessen war er sich sicher. Außer, dass … außer dass es ihm, nachdem er eine Weile hingehorcht hatte, so vorkam, als höre er außerdem den Klang einer Harte, und das war sehr schlimm, schlimmer als alles andere, denn dieser Klang gehörte zu seiner Welt, drang hinter der verriegelten Tür hervor. Er kam nicht von außen. Die Glocken ja, aber die wurden nach und nach leiser. Er war dabei, aufs Neue zu versinken, er hatte nichts, an dem er sich hätte festklammern können, keinen Zweig, keine Hand. Er war gefesselt und ausgetrocknet, und glitt ab und versank. Er sah die Riegel brechen und die Tür sich öffnen, und den Raum dahinter. Oh, Frau, Frau, Frau, dachte er. Dann waren die Riegel verschwunden, nichts mehr da, die Tür geschlossen zu halten. Versunken. Im Meer versunken …
Sie lagen im Bett. In der Nacht vor seiner Reise. Natürlich. Es musste ausgerechnet diese Erinnerung sein. Wegen der Harfe musste es dazu kommen.
Sein Zimmer. Eine Frühlingsnacht; beinahe sommerlich warm. Offenes Fenster, wehende Vorhänge, sie beide
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