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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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zwei Tagen hatte hinnehmen müssen.
    Nein, hatte Ivor entschieden, unter dem Gesichtspunkt der Anweisungen Gereints, was Schnelligkeit und Geheimhaltung anging, es sei wichtig, Dave – Davor, hatte er gesagt, wie sie ihn alle nannten – wohlbehalten gen Süden nach Paras Derval zu bringen. Levon werde das Kommando übernehmen, an seiner Seite Torc als einer von zwanzig Mann. So war es festgelegt worden.
    Logisch und gebieterisch, hatte Dave gedacht, und auf kühle Weise tüchtig. Doch dann hatte er sich seines letzten Gesprächs mit Ivor erinnert.
    Die Pferde waren bereits gesattelt. Er hatte sich höflich und ein wenig steif von Leith und dann von Liane verabschiedet – es war keine seiner Stärken, Abschied zu nehmen. Außerdem war er verlegen gewesen, wegen der Gruppe junger Mädchen, die dabeigestanden hatte. Ivors Tochter schien zurückhaltend und irgendwie abgelenkt.
    Dann hatte er nach Tabor gesehen. Der Junge fieberte und war obendrein unruhig. Auch hierin war Dave nicht sonderlich geschickt. Er wandte sich mit einer verwirrten Geste an Leith, die mit ihm eingetreten war. Er hoffte, dass sie verstehen würde, auch ohne dass er genau hätte sagen können, was er ihr mitteilen wollte.
    Hiernach hatte Ivor ihn zu jenem letzten Spaziergang am Rande des Lagers entlang mitgenommen.
    »Die Axt gehört dir«, hatte der Häuptling begonnen. »Deinen Schilderungen entnehme ich, dass du sie in deiner eigenen Welt wohl kaum brauchen wirst, aber vielleicht kann sie dazu dienen, dich an die Dalrei zu erinnern.« Nun hatte Ivor die Stirn gerunzelt. »Ein kriegerisches Andenken leider, an die Kinder des Friedens. Gibt es noch irgendetwas, das du …?«
    »Nein«, hatte ihn Dave unterbrochen, völlig verwirrt. »Nein, es ist schon gut. Sie ist großartig. Ich, äh, werde sie wie einen Schatz hüten.« Worte. Sie waren schweigend einige Schritte gegangen, ehe Dave einfiel, dass es doch noch etwas gab, das er sagen wollte.
    »Sagt Tabor in meinem Namen Lebewohl, ja? Ich denke … er ist ein guter Junge. Er wird es doch schaffen, oder?«
    »Ich weiß nicht«, hatte Ivor mit beunruhigender Offenheit erwidert. Am Rand des Lagers hatten sie kehrtgemacht und waren gen Norden geschlendert, dem Berge zugewandt. Bei Tageslicht wirkte der Rangat genauso prachtvoll, und die weißen Klüfte reflektierten das Sonnenlicht so grell, dass einem die Augen weh taten, sah man direkt hin.
    »Ich bin sicher, er wird es schaffen«, waren die lahmen Worte, die Dave einfielen, und er war sich bewusst, wie töricht sie klangen. Um davon abzulenken, fuhr er fort. »Ihr seid, wisst Ihr, hier sehr gut zu mir gewesen. Ich habe … eine Menge gelernt.« Noch während er das aussprach, merkte er, dass es der Wahrheit entsprach.
    Zum ersten Mal hatte Ivor gelächelt. »Das freut mich«, hatte er entgegnet. »Der Gedanke gefällt mir, dass wir Dinge haben, die sich weiterzugeben lohnen.«
    »O ja, bestimmt«, hatte Dave ernsthaft beteuert. »Natürlich habt Ihr das. Wenn ich länger bleiben könnte …«
    »Wenn du länger bleiben könntest«, hatte Ivor gesagt, war stehen geblieben und hatte Dave ins Gesicht gesehen, »wäre, denke ich, aus dir ein Reiter geworden.«
    Dave hatte hart schlucken müssen und war vor Freude rot geworden über dieses Lob. Er war sprachlos; Ivor hatte es bemerkt. »Falls«, hatte der Häuptling mit einem Grinsen hinzugefügt, »wir je ein Pferd gefunden hätten, das zu dir passt.«
    Lachend hatten sie ihren Spaziergang fortgesetzt. Gott, hatte Dave gedacht, ich habe diesen Mann ehrlich, ganz ehrlich gern. Es wäre nett gewesen, wenn er das hätte sagen können.
    Doch dann hatte Ivor ihn überrascht. »Ich weiß nicht, was dein Erlebnis der vergangenen Nacht zu bedeuten hat«, hatte er leise erklärt, »aber es bedeutet ziemlich viel, denke ich. Ich schicke Levon mit dir gen Süden, Davor, so ist es richtig, auch wenn ich ihn nicht gern ziehen lasse. Er ist noch jung, und ich liebe ihn sehr. Wirst du mir zuliebe auf ihn aufpassen?«
    Was für eine unausgewogene Verdrehung der Tatsachen. »Was?« hatte Dave ausgerufen und sich innerlich gegen die tiefere Bedeutung dieser Worte gewehrt. »Wovon sprecht Ihr? Er ist es, der weiß, was er tut! Ich soll auf ihn aufpassen? Sollte es nicht anders herum sein?«
    Ivors Gesichtsausdruck war traurig gewesen. »Ah, mein Sohn«, hatte er zärtlich gesagt, »in einiger Hinsicht hast du noch einen weiten Weg vor dir. Auch du bist jung. Natürlich habe ich ihm auch ans Herz gelegt, er soll auf

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