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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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östlichen Eingang plötzlich Stimmen laut wurden und die dort versammelten Höflinge und Damen Platz machten, so dass im Fackelschein eine mächtige Gestalt zu sehen war, die einen blutüberströmten Körper in ihren Armen trug.
    Alles verharrte. In der so entstandenen Stille schritt Tegid langsam zwischen den langen Tischen nach vorn, bis er vor Ailell stand.
    »Seht!« rief er mit vor Gram rauer Stimme. »Mein Edler König, hier ist einer vom Stamm der Lios Alfar, und überzeugt Euch selbst, was sie ihm angetan haben!«
    Der König war aschfahl. Zitternd richtete er sich auf. »Na-Brendel?« fragte er mit krächzender Stimme. »Oh, Mörnir. Ist er …?«
    »Nein«, erwiderte eine matte, jedoch deutliche Stimme. »Ich bin nicht tot, obwohl ich mir vielleicht noch wünschen werde, es zu sein. Ich möchte meine Botschaft stehend überbringen.«
    Sanft ließ Tegid den Lios Alfar zu Boden gleiten, so dass er auf dem Mosaikboden zu stehen kam, dann ging er unbeholfen in die Knie und bot ihm seine Schulter dar, sich darauf zu stützen.
    Brendel schloss die Augen und atmete tief ein. Und als er erneut das Wort ergriff, klang seine Stimme, hervorgerufen durch reine Willensanstrengung, kräftig und deutlich unter den Fenstern von Delevan.
    »Verrat, Großkönig. Verrat und Tod bringe ich dir, und Nachricht von der Finsternis. Wir sprachen, du und ich, vier Nächte ist es her, von Svart Alfars, die sich außerhalb des Pendaranwaldes aufhalten. Großkönig, am heutigen Tage befanden sich Svart Alfar in unmittelbarer Nähe deiner Mauern, und sie hatten Wölfe bei sich. Wir wurden vor Morgengrauen angegriffen, und all meine Männer sind gefallen.«
    Er hielt inne. Ein Laut, der dem Klagen des Windes vor einem Sturm glich, durchlief den Raum.
    Ailell war in seinem Sitz zusammengesunken, seine Augen blickten leer und hohl. Brendel hob den Kopf und sah ihn an. »An deiner Tafel gibt es einen leeren Stuhl, Großkönig. Ich muss dir sagen, dass er für einen Verräter leersteht. Sieh dich um an deinem eigenen Herdfeuer, Ailell! Metran, dein Erster Magier, ist mit der Finsternis im Bunde. Er hat euch alle verraten!« Bei diesen Worten wurden Rufe laut, zornige und bestürzte Rufe.
    »Haltet ein!« Das war Diarmuid, der aufgesprungen war und sich dem Lios zugewandt hatte. Seine Augen blitzten, doch seine Stimme hatte er eisern unter Kontrolle. »Du sagtest, die Finsternis. Wer?«
    Wieder trat Stille ein. Dann sprach Brendel. »Ich hätte nie den Wunsch gehegt, der Welt hiervon zu berichten. Ich habe von Svart Alfar gesprochen und von Wölfen, die uns angegriffen haben. Wir wären nicht besiegt worden, hätten wir es nur mit ihnen zu tun gehabt. Da war noch ein anderes Wesen. Ein riesiger Wolf mit silbrigem Haar auf dem Kopf wie ein Mal, das sich vom schwarzen Fell abhebt. Später habe ich ihn noch einmal gesehen mit Metran, und ich habe ihn erkannt, denn er hatte wieder seine wahre Gestalt angenommen. Ich muss euch sagen, dass der Wolfsfürst der Andain aufs Neue unter uns weilt: Galadan ist zurückgekehrt.«
    »Verflucht sei sein Name!« rief jemand, und Kevin sah, dass es Matt war, der das gesprochen hatte. »Wie ist das möglich? Er ist vor tausend Jahren bei Andarien gestorben.«
    »Das haben wir allesamt geglaubt«, sagte Brendel und wandte sich dem Zwerg zu. »Doch ich habe ihn heute gesehen, und diese Wunde hat er mir geschlagen.« Er berührte seine zerfetzte Schulter. Dann fuhr er fort: »Es gibt noch mehr zu berichten. Noch ein Wesen ist heute erschienen und hat mit diesen beiden gesprochen.«
    Wieder zögerte Brendel. Und diesmal richteten sich seine dunklen Augen auf Kevins Gesicht.
    »Es war der schwarze Schwan«, verkündete er, und die Stille im Saal vertiefte sich. »Avaia. Er hat Jennifer fortgetragen, deine Freundin, die Goldene. Ihretwegen waren sie gekommen, warum, das weiß ich nicht, aber wir waren zu wenige, zu wenige, um den Wolfsfürst zu besiegen, und so sind alle Angehörigen meines Stammes tot, und sie ist fort. Und die Finsternis geht wieder um in der Welt.«
    Kevin blickte blass vor Entsetzen auf die verstümmelte Gestalt des Lios. »Wo?« fragte er keuchend, mit einer Stimme, die ihn selbst erschrocken machte.
    Brendel schüttelte matt den Kopf. »Ich konnte ihre Worte nicht hören. Der Schwarze Avaia hat sie gen Norden davongetragen. Hätte ich den Flug verhindern können, wäre ich gern dafür gestorben, es zu tun. Oh, glaube mir«, die Stimme des Lios Alfar drohte zu versagen. »Deine Trauer ist die

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