Silbermantel
fühlte, während er sich mühte, etwas zu erkennen, dass er mit der ganzen Kraft seines Herzens auf Seiten des Hundes stand. Er entsann sich der Trauer, die er in seinen Augen gesehen hatte, und erkannte trotz aller Schatten, während die Tiere sich um und um wälzten, zubissen und schnappten, einander in wilder Raserei angriffen und wieder zurückwichen, dass der Wolf zu groß war.
Nun waren sie beide schwarz, denn das hellgraue Fell des Hundes war verklebt und dunkel von seinem eigenen Blut. Immer noch kämpfte er, wich aus und griff an, wobei er einen Mut aufbrachte, so heldenhaft Widerstand leistete, dass es weh tat, dies mit anzusehen, so nobel war es und so aussichtslos.
Der Wolf blutete ebenfalls, und sein Fleisch war zerrissen und zerfetzt, doch er war so viel größer; und darüber hinaus, noch darüber hinaus wohnte Galadan eine Kraft inne, die viel tiefer ging, als Zähne und Klauen reichten.
Paul wurde sich bewusst, dass seine gefesselten Hände aufgerissen waren und bluteten. Ohne es zu merken hatte er versucht, sich selbst zu befreien, dem Hund zu Hilfe zu eilen, der bei seiner Verteidigung starb. Doch die Fesseln hielten, genau wie die Prophezeiung, denn hier sollten Wolf und Hund allein sein, und so war es auch.
Die Nacht hindurch setzte der Kampf sich fort. Erschöpft und mit zahlreichen Wunden übersät hielt der graue Hund aus; doch inzwischen wurden seine Attacken leichter pariert, seine Verteidigungsversuche erfolgten quälend langsam, und mit jedem Mal entging er knapper dem endgültigen Schließen des Wolfskiefers um seine Kehle. Es konnte nur noch eine Frage der Zeit sein, stellte Paul trauernd fest, gezwungen, alles mit anzusehen. Es tat so weh, so weh …
»Kämpfe!« schrie er plötzlich auf, und sein Hals wurde von der Anstrengung wund. »Mach weiter! Ich halte durch, wenn es dir auch gelingt – ich halte durch bis morgen Abend. Im Namen des Gottes, ich schwöre es. Gib mir Zeit bis morgen, und ich will euch Regen bringen!«
Einen Augenblick lang waren die Tiere gebannt von seinem Aufschrei. Dann sah Paul, matt und ausgelaugt und voller Entsetzen, dass es der Wolf war, der den Kopf hob, um ihn anzublicken, wobei ein grässliches Lächeln seine Züge verzerrte. Daraufhin wandte er sich wieder ab, dem letzten Angriff zu, ein Sinnbild der Wut, der Zerstörung. Galadan, der zurückgekehrt war. Es war der Angriff ungezügelter Macht, die sich nicht leugnen ließ, der man nicht widerstehen konnte. Und doch geschah es.
Auch der Hund hatte Pauls Aufschrei gehört; ohne die Kraft zu haben, darauf mit einem Heben des Kopfes zu reagieren, hatte er in seinen Worten, in seinem verzweifelten, kaum zu verstehenden Schwur eine ganz eigene reine, weiße Kraft entdeckt; und er entsann sich seiner weit, weit zurückliegenden Geschichte von Kampf und Sieg, und so stürzte sich der graue Hund ein letztes Mal auf den Wolf, getrieben von absoluter Selbstverleugnung, und die Erde erzitterte unter ihnen, als sie zusammenstießen.
Immer wieder rollten sie über den blutdurchtränkten Waldboden, nicht voneinander zu unterscheiden, eine einzige verzerrte Gestalt, Sinnbild des endlosen Konflikts zwischen Licht und Finsternis in sämtlichen sich drehenden Welten.
Dann hatte diese Welt endlich weit genug ihre Bahn gezogen, dass über den Bäumen der Mond aufging.
Er war nur eine Sichel, der letzte dünne, blässliche Splitter vor dem morgigen Neumond. Doch noch war sie vorhanden, noch war sie prachtvoll anzusehen, noch leuchtete sie. Und Paul verstand, als er aufsah, tief in seinem Herzen, dass der Mond der Mutter gehörte, genau wie der Baum Mörnir zu eigen war; und wenn die Mondsichel über dem Sommerbaum leuchtete, dann erst wurde das Banner Brennins in jenem Walde Wirklichkeit.
Schweigend, ehrfürchtig, zutiefst demütig sah Paul kurze Zeit später, wie sich ein dunkles, blutüberströmtes Tier vom anderen löste. Es hinkte mit hängendem Schweif zum Rand der Lichtung, und als es sich noch einmal umblickte, erkannte er einen Flecken Silber zwischen seinen Ohren. Mit einem wütenden Knurren floh Galadan aus dem Wald.
Der Hund konnte sich kaum auf den Beinen halten. Er atmete mit einem krampfhaften Heben seiner Flanken, und der Anblick tat Paul weh. Er war so schwer verletzt, dass er kaum noch am Leben war; er war so dick mit Blut beschmiert, und Paul konnte auf seinem Fell keine Stelle entdecken, die nicht zerfetzt gewesen wäre.
Doch noch lebte er, und er kam zögernd zu ihm herüber, um zu ihm
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