Silberschwester - 14
im Augenblick) lieber nichts sagen!
Christopher
liest die Reihe Magische
Geschichten , seit er in der Oberschule ihren ersten Band kennen lernte.
Einige seiner Texte sind in Quanta , einem Electronic-Science-fiction-
oder Fantasy-Magazin (einem »e-zine«) erschienen – aber das hier ist seine
erste professionelle Publikation. Er habe, sagt er mir, einen »Laptop voller
Roman-Fragmente« … schreibe aber lieber Kurzgeschichten. Auch lese er
leidenschaftlich gern – und zwar alles, aber am liebsten Sci-Fi und Fantasy. So
wie ich – aber uns hat man in der High-School Magazine (ganz zu schweigen von
Comics) abgenommen und im Heizkessel verbrannt. Seid ihr nicht heilfroh, dass
ihr nicht damals zur Schule gegangen seid? Heutzutage ist man da wohl
toleranter, weil die Kinder und Jugendlichen am ehesten noch Science-Fiction
lesen. – MZB
CHRISTOPHER
KEMPKE
Weiße
Elefanten
Diese letzten drei Meilen zur Burg des
Kriegsherrn waren die schlimmsten der ganzen Reise – alle hundert Schritt sah
man eine an einen Baum gelehnte, an einen Pfahl genagelte Leiche. Lia erkannte
viele der Toten wieder: Freunde und Freundinnen oder Gefährten, Gefährtinnen,
die versucht hatten, die Macht des Kriegsherrn mit List oder Gewalt oder Magie
zu brechen. Das waren verzweifelte Versuche gewesen, mit wenig Aussicht auf
Erfolg, denn seine zahllosen Vasallen hatten schon, bis auf ein paar Enklaven
der Menschlichkeit, alles eingenommen.
Je näher Lia
der Burg kam, desto mehr juckte ihr die Hand, doch noch einen Abwehrbann zu
weben. Aber sie hatte nachts zuvor Stunden damit verbracht, ihre letzten,
mitunter Jahre alten Schutzzauber abzulegen. Nein, sie durfte dem Kriegsherrn
nun unter keinen Umständen als eine Bedrohung erscheinen.
Zwei Wächter
standen vor dem Tor, dem einzigen Zugang dieser Feste. Der massive Steinbogen
barg ein machtvolles Artefakt: Zwischen den alten Quadern knisterte reine
Energie, die eine undurchsichtige Mauer aus wirbelnder Magie bildete. Dahinter
konnte man keine neue Magie schaffen – darunter nicht lügen. Ohne das Wort des
Warlords konnte niemand das Tor passieren. Diese dreifache Sperre war ihren
Vorgängern zum Verhängnis geworden – nun stand sie mit einer Unsicherheit
davor, die sie sich nicht anmerken lassen durfte.
Einer der
Wächter beorderte sie durch ein Nicken zum Tor. Da zog sie eine Magieflasche
aus ihrer Robe, zeigte sie ihm und trat entschlossen in den Mahlstrom ein.
Sofort fühlte
sie sich wie festgeklebt, in Glas gefangen. Da gab es kein Vor und auch kein
Zurück mehr – es sei denn, der Kriegsherr erlaubte es.
»Was ist in
der Flasche?«, fragte der Torwächter.
»Nur ein
Zauber, den der Kriegsherr heiß begehrt … Ich will ihn ihm schenken.«
»Du hast keine
anderen Zauber oder Waffen bei dir?«
»Nein.«
»Wirst du dem
Kriegsherrn etwas antun?«
»Nein«, sagte
Lia, fast den Atem anhaltend. Das war nun der Moment der Wahrheit, in dem sie
einer Lüge am nächsten kam. Die Fragen, die man am Tor gestellt bekam, waren ja
bekannt. Diese hier war etwas mehrdeutig. Sie konnte nur hoffen, dass das
scharfsichtige Tor diese kleine Verbiegung der Wahrheit nicht auszumachen
vermochte.
Sekunden
verstrichen – dann konnte Lia plötzlich wieder ihre Arme und Hände bewegen,
wenn auch immer noch nicht die Füße. Der Vorhang der Macht schwand etwas,
sodass sie nun in einen großen Saal sah. Prächtige Malereien an den Wänden, auf
dem Boden lenkten den Blick ins Zentrum des Raums, wo, auf einem schlichten
Thron, der Mann saß, der diese Welt nach Dekaden des Friedens in Sklaverei und
Krieg gestürzt hatte.
»Du bringst
die oberste Magie?«, fragte er, der Kriegsherr, mit leiser Stimme, aus der doch
die Gier klang.
Lia hob ihre
Flasche. »Sie ist hier. Öffne die Flasche, und all deine Wünsche werden
erfüllt, schon in dem Moment, da du an sie denkst. Du musst dir nur etwas
vorstellen, und es wird Wirklichkeit. Ich brauchte ein ganzes Jahr, um diesen
Zauber herzustellen, und musste dazu alte Manuskripte studieren. Er war schon
seit Jahrhunderten nicht mehr gemacht worden.«
Der Kriegsherr
lachte. »Andere deiner Profession sind lieber gestorben, als dass sie mir
diesen Zauber gewirkt hätten. Und warum bringst du ihn mir aus freien Stücken?«
Da breitete
Lia die Hände. »Ich möchte verhindern, dass meine letzten Freunde und Gefährten
vernichtet werden. Denn meine Vorgänger haben mit ihrer Weigerung weder sich
noch der Welt Leid erspart …« Wieder eine Halbwahrheit, aber
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