Silberschwester - 14
unter.
»Lass uns
gehen, Richard!«, sagte er dann und spähte den Berg hinab – die Kampfgestalt
stellte sich schützend vor den Hexer, griff aber nicht an.
Da nickte
Richard, steckte sein Schwert ein und sagte: »Ich trage sie, decke du uns den
Rücken!«
Der Hexer
hinkte in die Zitadelle. Und die Frau schien nicht einmal wahrzunehmen, dass
Richard sie jetzt auf eine Schulter nahm und sich an den Abstieg machte. So
vergrub Jonathan den Stein noch tiefer in seiner Tasche und folgte den beiden
als wachsame Nachhut.
Jonathan lehnte an der getünchten
Krankenzimmerwand und ließ den Blick nervös durch den Raum huschen. Richard,
der neben ihm stand, schien ebenso angespannt. Der Grund ihrer Unruhe, Selina,
Herrin der Greifenburg, saß, in ihrer gelbsilbernen Robe mit den Symbolen ihres
Rangs, ernst am Krankenlager und wartete, dass die Doktorin Althea mit ihrer so
lilienbleichen Patientin endlich fertig würde …
»Du heißt
Perle und wurdest von den beiden hier aus der Hand des Hexers der Roten
Zitadelle befreit?«, fragte sie dann mit allem Ernst.
Die
Bettlägrige nickte schwach.
Da beugte
Selina sich vor. »Unser Orden hat das Ziel, diesem Land Recht und Gerechtigkeit
zu bringen. Ich möchte, dass du uns über den Hexer erzählst und schilderst, was
für eine Art Mann er ist. «
»Er ist sehr
bösartig«, erwiderte Perle und verstummte dann. Eine Minute später hatte sie
wieder die Kraft fortzufahren: »Er hat so etwas, einen Lebensstein …« Sie
machte eine vage Geste. »Der lenkt Lebenssaft von einem Menschen zum anderen.
Damit saugt er die Burgleute zu Tode.« Ihr Blick wanderte zu Jonathan, zu
Richard. »Und er benutzt ihn nicht nur, wenn er verwundet ist, sondern auch, um
sich jung zu halten.« Wieder verstummte sie … ließ aber ihren Blick auf dem
jungen Mann ruhen. »Ich habe dich gesehen.«
Jonathan trat
unruhig von einem Bein auf das andere. Und sie nahm wieder alle Kraft zusammen.
»Ich sah dich, und da wusste ich, dass einer von seinem Tun erfahren musste. So
kam ich aus der Burg. Ich wusste, dass er der Versuchung nicht widerstehen
könnte, auf der Stelle Heilung zu suchen.«
Jonathan
musterte Richard von der Seite – sein Freund sah so bleich und schockiert aus
wie er selbst.
Sogar Selina
wirkte etwas bleicher. »Ich danke dir«, schloss sie förmlich. »Deine Tat soll
nicht vergeblich gewesen sein. Wir werden diesen Bösewicht aus unseren Landen
vertreiben.« Damit erhob sie sich. »Der Herr der Roten Zitadelle hat sein
letztes Opfer gehabt, das schwöre ich dir!«
Perle nickte
und schloss erschöpft die Augen. Nun warf Selina den jungen Männern einen Blick
zu und ging hinaus … Und die beiden folgten ihr.
Althea kam
ihnen bis zur Tür nach. »Äh … Frau Selina?«
Die
Angesprochene drehte sich um, legte den Kopf schief.
»Das letzte
Opfer«, sagte Althea, mit gesenkter Stimme, »das könnte hier liegen. Ich glaube
nicht, dass sie mit dem Leben davonkommt. «
Jonathan
schwankte, suchte an der Wand Halt. Selina musterte ihn und Richard scharf.
»Hört, wir werden die Rote Zitadelle jetzt sofort angreifen, bevor ihr euch
ausgeruht habt … Ihr werdet also nicht mit dabei sein können.«
Jonathan
verneigte sich gehorsam.
»So esst etwas
und ruht euch aus«, sprach die Herrin von Burg Greifenstein und rauschte abrupt
in Richtung Rüstkammer ab.
Die beiden
Ritter sahen einander an. »In die Küche?«, schlug der eine vor, und der andere
nickte, und da machten sie sich auch schon auf den Weg.
Ein halbes
Dutzend Ritter saß noch um den Tisch … beim aus dienstlichen Gründen
verspäteten Essen. Man nickte ihnen zu, als sie Platz nahmen, und murmelten
etwas über ihre Taten … Die Gerüchte sind uns vorausgeeilt!, dachte Jonathan,
schnitt sich eine Scheibe Brot ab und bestrich sie dick mit Butter.
Da kam ein
rundlicher, gelehrter Ritter herein – Timothy mit Namen – und setzte sich zu
ihnen. »Es heißt, ihr habt etwas von der Roten Zitadelle mitgebracht«, begann
er und hob die Hände. »Den Lebensstein?«
»Todesstein
wäre der passendere Name!«, knurrte Jonathan, bei dem Gedanken an Perle, droben
im Krankenzimmer. »Ein wahres Teufelszeug!«
Entsetzt über
so viel Unwissenheit, sah Timothy ihn an. »Das ist nichts Diabolisches … nichts
Dämonisches war an seiner Entstehung beteiligt. Er ist auch nicht eigentlich
böse.«
Da knallte
Jonathan das Brot auf den Tisch. »Das ist unmöglich!«, protestierte er. »Zu welchen
guten Zwecken könnte er genutzt
Weitere Kostenlose Bücher