Silberstern Sternentaenzers Sohn 03- Reise in die Vergangenheit
unternehmen, um sich etwas abzulenken.
Sie sattelten Silberstern und Ranja und schlugen den schmalen Weg hinunter zum Meer ein. Es war ein herrlicher Sonnentag. In leichtem Galopp ritten sie ein ganzes Stück am Strand entlang, bis zu dem kleinen Fischerdorf. Dort verweilten sie lange, bevor sie schließlich wieder den Rückweg zum Kloster antraten.
Nachdem sie Silberstern und Ranja abgesattelt und trocken gerieben hatten, holten sie das Putzzeug. „Wenn der Mann wirklich die Ikonen gestohlen hat, kommt er bestimmt ins Gefängnis, oder?“, meinte Annit nachdenklich, während sie Silbersterns Fell mit Striegel und Kardätsche bearbeitete.
Mannito nickte, während er Ranjas Huf auskratzte. „Klar. Die Polizei muss ihn doch einsperren, damit er nicht noch mehr anstellen kann."
Annit schluckte schwer. Dann kann ich nur hoffen, dass er nicht mein leiblicher Vater ist, dachte sie. Und wenn doch? Annit hatte das Gefühl, als würde sie gleich platzen. Die Vorstellung, einen Vater zu haben, der im Gefängnis saß, war schier unerträglich für sie. Ich weiß nicht, wie ich mich damit jemals abfinden soll. Dann erinnerte sie sich daran, was die Igoumeni anfangs zu ihr gesagt hatte. „Es gibt manchmal Dinge im Leben, an die man nicht mehr rühren sollte.“
Annit und Mannito halfen in der Küche gerade bei den Vorbereitungen für das Abendessen, als eine der Nonnen ihnen mitteilte, dass sie sofort ins Büro der Äbtissin kommen sollten.
Annits Magen krampfte sich vor Aufregung zusammen, als sie mit Mannito den langen Flur entlanglief. Sie fühlte sich unbehaglich, als sie gleich darauf an die Bürotür klopften und eintraten.
Die Igoumeni saß hinter ihrem großen Schreibtisch und sprach gerade mit einem Mann, der auf einem der Besucherstühle Platz genommen hatte. Sie bedeutete Annit und Mannito, sich ebenfalls zu setzen.
„Der Herr ist von der Polizei“, erklärte sie mit ernstem Gesicht. „Er möchte uns über den Stand der Ermittlungen informieren und dann auch die Örtlichkeiten hier inspizieren.“
Annit hielt den Atem an, während sie zuhörte. Der Polizist berichtete, dass sie bei dem Verdächtigen noch weitere selbst gemalte Ikonen gefunden hatten. „Das allein reichte als Beweis natürlich noch nicht aus“, erläuterte er. „Aber als wir anschließend das Holzhaus gründlich durchsuchten, sind wir in einem kleinen Nebenraum tatsächlich fündig geworden. Dort hatte er die wertvollen Ikonen aufbewahrt, die hier aus dem Kloster gestohlen wurden. Der Verdächtige hat zwar zunächst behauptet, er wisse nicht, wie die Ikonen dorthin gelangt sind. Doch im Laufe des Verhörs hat er schließlich alles gestanden.“ Er räusperte sich. „Der Mann ist übrigens kein unbeschriebenes Blatt für uns. Er hat schon so einiges auf dem Kerbholz.“
„Und wie heißt der Mann?“, wollte die Igoumeni schließlich wissen. Sie konnte immer noch nicht fassen, dass der Dieb aus dem Dorf stammte.
Der Polizeibeamte straffte sich. „Nun, das ist eine etwas unangenehme Angelegenheit“, erwiderte er. „Denn es gibt hier im Kloster eine Person, die mit ihm verwandt ist. Doch wir wissen nicht, ob diese Person eventuell auch etwas mit dem Diebstahl zu tun hat. Es ist nämlich noch nicht klar, wie der Täter es geschafft hat, ins Kloster zu gelangen.“
Annit war leichenblass geworden. Er ist also doch mein Vater, schoss es ihr voller Entsetzen durch den Kopf. Die Polizei hat das bei ihren Ermittlungen herausgefunden. Und jetzt verdächtigen sie mich, dass ich ihm geholfen habe. Weil ich mit ihm verwandt bin.
Die Igoumeni schüttelte ungläubig den Kopf. „Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine unserer Nonnen in einen Diebstahl verwickelt ist“, erklärte sie. „Wer sollte das denn sein?“
Annit hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, als der Polizeibeamte den Mund öffnete. Doch sie saß reglos da und starrte ihn nur mit großen Augen an.
„Der Verdächtige heißt Timo Androupoulos“, antwortete der Beamte.
„Timo Androupoulos?“, wiederholte die Igoumeni. „Sind Sie sicher?“
Der Polizist nickte. „Ganz sicher. Wie gesagt, er ist uns schon seit Längerem bekannt ..."
Annit war total aufgewühlt. Sie hörte nicht mehr, was der Polizist weiter sprach. Sie konnte nur noch an eins denken - ihr Vater war ein Verbrecher. Wie aus weiter Ferne registrierte sie irgendwann, dass die Äbtissin entsetzt
Weitere Kostenlose Bücher