Silberstern Sternentaenzers Sohn 05 - Die alte Prophezeiung
kann. Aber verliebt sind wir nicht. Trotzdem können wir an die Tür des anderen klopfen, wenn alle Welt uns verlassen hat“, hatte Annit damals geantwortet. Und das ist noch immer so, dachte sie. I ch wüsste nicht, wie ich das alles ohne dich schaffen würde. Annit seufzte tief. Ich weiß ja noch nicht mal, ob ich es mit dir schaffen werde.
Ankunft bei den Beduinen
Nach einem langen, anstrengenden Ritt am Rande der Wüste erreichten Annit und Mannito drei Tage später das Beduinendorf Beni Sharqi. Ganz plötzlich war es vor ihnen aus dem Wüstensand hinter einer Düne aufgetaucht - wie aus dem Nichts. Es waren zahlreiche unterschiedlich große Zelte aus gewebtem Ziegenhaar, dahinter schlossen sich mehrere umzäunte Gelände mit Schafen, Ziegen und Kamelen an. Annit hielt Silberstern an und legte die Hände über die Augen. „Hier gibt’s alles Mögliche, aber weit und breit keine Pferde.“
„Ahlan wa sahlan!“, hörte sie plötzlich eine heisere, dunkle Stimme hinter sich.
Annit erschreckte sich so, dass sie beinahe vom Pferd gefallen wäre. Auch Mannito zuckte zusammen. Die beiden drehten sich um. Hinter ihnen stand ein Beduine in einem wallenden, bodenlangen, weißen Gewand und einem weißen Tuch auf dem Kopf. Der Mann hatte sich ihnen so leise genähert, dass sie ihn gar nicht bemerkt hatten.
„Ahlan wa sahlan!“, wiederholte er.
„Was heißt denn das?“, raunte Annit Mannito zu.
Der zuckte nur ratlos mit den Schultern. „Keine Ahnung, aber er lächelt dabei.“
„Ahlan wa sahlan heißt willkommen!“, erklärte der Fremde plötzlich. Er machte eine weite, einladende Geste mit seiner Hand. „Ich möchte euch sehr herzlich einladen, mir in das Dorf zu folgen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, schritt er voran durch den Wüstensand, das weiße Kopftuch wehte wie eine Fahne hinter ihm her.
Vor einem der ersten Zelte blieb er stehen und wartete geduldig, bis Annit und Mannito ihre Pferde festgebunden und versorgt hatten. Annit bemerkte, wie der Beduine sie und Silberstern aus den Augenwinkeln beobachtete.
„Bitte.“ Er betrat das Zelt und bedeutete Annit und Mannito, ihm zu folgen. Das Zelt war durch eine Trennwand in zwei Bereiche unterteilt. Annit schaute sich neugierig um. Im vorderen Teil befand sich eine Feuerstelle, um die herum mehrere Sitzkissen drapiert waren, in den Ecken standen hohe Gefäße aus Ton sowie Wasserpfeifen.
Im Schneidersitz setzte sich der Beduine an die Feuerstelle, Annit und Mannito auch. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, griff der Beduine nach einer Metallschale, die er über das Feuer hielt. Darin röstete er offensichtlich Kaffeebohnen, die er anschließend im Mörser zerstieß. Das laute Geräusch musste weithin zu hören sein und schien eine Einladung für die anderen zu sein. Denn nach und nach schlüpften immer mehr ähnlich gekleidete Beduinen in das Zelt und gesellten sich wortlos zu ihnen.
Einer der Männer reichte eine Keramikschüssel mit frischen, hellbraun glänzenden Datteln herum. Ein anderer rauchte kurz an einer Wasserpfeife, formte eine kleine Wolke in die Luft und gab sie dann weiter. Hungrig nahm sich Annit ein paar Datteln und beobachtete fasziniert und gleichzeitig ein wenig ängstlich das fremde Ritual.
Es herrschte eine merkwürdige Stimmung in dem Zelt. Der intensive Geruch von Kaffee und Rauch erfüllte den Raum. Keiner sagte ein Wort, aber alle hatten ein freundliches Lächeln auf den Lippen.
Auf einmal wandten alle den Blick zum Zelteingang. Dort stand ein hochgewachsener alter Beduine, aufrecht wie ein Speer. Die Männer, die an der Feuerstelle saßen, begrüßten ihn mit einem ehrfürchtigen Kopfnicken, legten die rechte Hand auf ihre Brust und murmelten etwas vor sich hin. Auch er trug ein langes, weites, weißes Gewand. Das Tuch auf seinem Kopf wurde von einem schwarzen, doppelt geflochtenen Band gehalten.
Der Beduine, der Annit und Mannito begrüßt und in das Zelt geführt hatte, erhob sich eilig. Er nahm ein riesiges, farbiges Sitzkissen und legte es hinter den Besucher. Mit einer eleganten Bewegung ließ sich dieser darauf nieder. Ein anderer Beduine reichte ihm die Wasserpfeife, ein dritter stellte ein kleines Tässchen mit Kaffee vor ihn auf den Boden.
Der alte Beduine sog an der Wasserpfeife und musterte dabei Annit und Mannito aus seinen tiefschwarzen Augen. Er hatte ein ebenmäßiges Gesicht, das nun, da er in die Jahre gekommen war, von tiefen Falten
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