Silberstern Sternentaenzers Sohn 06 - Annit und der Geschichtenerzaehler
und innerhalb von Sekunden zu Asche wurde.
„Aber ...“, begann Habib erneut.
Der Stammesfürst bedachte ihn mit einem strafenden Blick. „Geh jetzt! Und merke dir, dass es nicht deine Aufgabe ist, über Regeln nachzudenken.“
Habib zog den Kopf ein, sprang auf und stürzte aus dem Zelt.
„Moment noch!“ Annit sprang ebenfalls auf und lief ihm nach. Sie packte ihn an einem Zipfel seines Gewandes. „Und wage es nicht, noch einmal meinem Pferd was anzutun!“, fauchte sie wütend. „Ich weiß ganz genau, dass du meinem Silberstern eine Beruhigungspflanze gegeben hast.“
Ganz langsam wandte Habib den Kopf, sodass sie sich anguckten. Er kniff die Augen zusammen und verzog die Lippen zu einem verächtlichen Grinsen.
„Du wirst gegen uns sowieso verlieren!“, presste Annit wütend hervor.
Habib sagte kein Wort, musterte sie nur hämisch von oben bis unten, spuckte vor ihr auf den Boden und ging dann weiter.
Bebend vor Wut blickte ihm Annit eine Weile nach, bevor sie in den Stall eilte, um nach Silberstern zu schauen.
Der geheimnisvolle Fremde
ln dieser Nacht schlief Annit so schlecht wie schon lange nicht mehr. Unruhig wälzte sie sich hin und her, nickte immer wieder kurz ein, war aber bald darauf wieder hellwach. Irgendwann setzte sie sich auf und bemerkte, dass Alisha nicht mehr neben ihr lag.
„Alisha?“, murmelte Annit in das dunkle Zelt. Doch es kam keine Antwort. Komisch! Das ist noch nie passiert. Alisha verließ nach Anbruch der Dunkelheit eigentlich das Zelt überhaupt nicht mehr! Sehr komisch!
Annit stand auf, zog ihren dicken Pullover über und guckte im vorderen Zeltbereich nach. Auch dort entdeckte sie das Beduinenmädchen nicht. Annit schlüpfte aus dem Zelt nach draußen. Es war eine wunderschöne sternenklare Nacht, und außer dem Blöken der Schafe war nichts zu hören. Annit marschierte einmal um das Zelt herum. Keine Alisha! Dann lief sie zum Schafsge hege. Dort kauerte eine Gestalt am Boden neben einem Schaf, das den Kopf zur Seite gestreckt hatte und offen bar tot war.
Alisha! Annit öffnete das Gatter und näherte sich. Ganz sacht legte sie eine Hand auf die Schulter des Beduinenmädchens. „Hey!“
Alisha sah auf, ihre dunklen Augen waren gerötet. Es war offensichtlich, dass sie geweint hatte. „Ich bin von dem Blöken dieses Schafes aufgewacht. Es klang so ... klagend. Und dann, als ich herauskam, merkte ich, dass es gestorben ist“, klagte sie, während Tränen leise ihre Wangen hinabkullerten.
Annit kniete sich neben die Beduinin auf den Boden und betrachtete das tote Schaf. „War es denn krank?“
Ganz sacht zuckte Alisha die Schulter. „Ich weiß es nicht. Es ist schon älter und hat in letzter Zeit so wenig gefressen.“ Sie hob den Kopf und deutete zum Rest der Herde. „Ich hoffe nur, dass es keine Krankheit hatte. Vor allem keine ansteckende.“ Alisha schluckte. „Wenn die anderen Schafe auch krank werden würden, wäre das eine Katastrophe.“
Annit begriff dass Alisha nicht nur traurig war wegen des toten Schafes, sondern sich auch Sorgen um die Zukunft ihres Stammes machte. Eine Schafherde war in der Wüste weit wertvoller als ein Bankkonto voller Geld. Vom Fleisch der Schafe konnte man sich ernähren, und ihre Wolle konnte man verarbeiten.
„Es muss ja nicht sein, dass die anderen auch ...“, startete Annit einen hilflosen Versuch.
„Aber es kann sein“, entgegnete Alisha mit betrübter Stimme.
„Gibt es denn hier bei eurem Stamm keinen Tierarzt, oder so?“, fragte Annit und war sich sofort, nachdem sie es ausgesprochen hatte, darüber im Klaren, wie dämlich diese Frage war. Es gab hier ja nicht mal einen Arzt für die Beduinen. Es gab lediglich einen sogenannten Heiler, der bei kleineren Beschwerden helfen konnte. Wenn es sich um größere Erkrankungen handelte, mussten die Patienten in die nächste Stadt gebracht werden.
Annit stand auf und zupfte an Alishas Gewand. „Komm erst mal wieder mit ins Zelt, Alisha! Heute können wir ohnehin nichts mehr tun.“
Leider schien Alishas Sorge begründet zu sein. Schon am nächsten Tag wurde ein zweites Schaf krank und am Tag darauf noch eines. Nach vier Tagen waren rund zehn Tiere der Herde von der seltsamen Krankheit befallen. Das Training wurde ausgesetzt, denn niemand konnte sich mehr unbeschwert darauf konzentrieren. Der Stammesfürst hielt eine Krisensitzung nach der anderen ab.
Nachdem der Heiler nicht weiterkam, wurde
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