Silberstern Sternentaenzers Sohn 08 - Rueckkehr ins Ungewisse
verstanden. Andererseits war da immer noch ein kleines, bitteres Gefühl, das sich in die Freude mischte. Schließlich hatten ihre Eltern ihr jahrelang verschwiegen, dass sie adoptiert worden war. Diesen tiefen Vertrauensbruch konnte Annit nicht einfach wegwischen wie ein paar Brotkrümel von einem Tisch. Selbst eine längere Trennung machte da nicht einfach alles wieder gut.
Nun löste Hannes seine Umarmung und guckte seine Tochter fragend an. „Wolltest du nicht noch jemanden mitbringen?“, erkundigte er sich.
„Klar! Mannito!“, antwortete sie. Wo ist der denn eigent lich? In der ganzen Aufregung hatte sie Mannito glatt vergessen. Annit drehte sich um und spähte umher.
Der Freund stand nur wenige Meter von ihr entfernt und sah sich staunend und mit großen Augen um. Seine Hände umschlossen fest den Griff des Gepäckwagens, auf dem ihre großen Reiserucksäcke lagen sowie der Sattel, den ihr der Stammesfürst zum Abschied geschenkt hatte. „So viele Menschen und alle wollen verreisen“, murmelte er beeindruckt.
Als Annit zu ihm trat, deutete er mit einer Hand auf die Anzeigetafel. „In einer Stunde kommt ein Flugzeug aus Bukarest an“, erklärte er. Die Sehnsucht in seiner Stimme war unüberhörbar.
„In dem ganz bestimmt niemand von deiner Familie sitzt, also komm jetzt!“ Entschlossen packte Annit ihn am Arm und führte ihn zu ihren Eltern.
Wortlos ließ sich Mannito mitziehen.
„Das ist Mannito cel Mare, der allerbeste Kumpel, den man sich vorstellen kann. Er hat mich auf allen Reisen begleitet“, stellte sie ihn ihren Eltern vor. „Und das hier sind Ursula und Hannes Georgi, meine Eltern ... meine Adoptiveltern.“
„Dann mal herzlich willkommen, Mannito“, begrüßte Hannes den Jungen und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Annits Freunde sind selbstverständlich auch unsere Freunde.“
Ursula nickte ihm freundlich zu. „Aber jetzt lasst uns endlich nach Hause fahren. Ihr habt sicherlich Hunger nach dem langen Flug. Außerdem müsst ihr uns alles über eure vielen Reisen berichten.“ Entschlossen nahm Ursula ihre Tochter an der Hand und zog sie Richtung Ausgang. „Ich habe extra frischen Apfelkuchen gebacken, den magst du doch so gerne. Also, ab nach Hause! Die beiden Männer kümmern sich um das Gepäck.“
Nach Hause! Wo ist das? Hier in Südholzen bei meinen Adoptiveltern? Ist das wirklich noch mein Zuhause? Oder ist es in der Türkei bei meinen richtigen Eltern? Oder vielleicht gar in Syrien?
Es war ein schöner, sonniger Frühsommernachmittag. Und es war eine Freude, nach so langer Zeit in der staubtrockenen Wüste die vielen satten Grüntöne der Bäume und Sträucher zu sehen. Von der Rückbank des Wagens schauten Annit und Mannito gebannt nach draußen.
Ursula und Hannes saßen vorne. Hannes hatte seinen Lieblingssender so laut angestellt, dass es nicht möglich war, sich zu unterhalten. Und Annit war eigentlich auch ganz froh darüber, nicht reden zu müssen und sich erst mal langsam mit der neuen Situation anfreunden zu können.
Nach einer halben Stunde Fahrt bog Hannes gleich nach dem Ortsende von Nordholzen rechts in eine schmale Straße ein. Zwischen grellgelb blühenden Rapsfeldern ging’s einige Kilometer geradeaus, dann bog Hannes erneut nach rechts ab und folgte dem Hinweisschild Südholzen.
Mit jedem Meter, den der Wagen dem Bauernhof näher kam, klopfte Annits Herz schneller. Irgendwie freute sie sich jetzt doch sehr auf ihr Südholzen. Auf das schöne Bauernhaus mit dem riesigen Holzbalkon, den Stall mit den Tieren, den schönen Obstgarten rundherum und die weiten Getreide- und Kartoffelfelder dahinter. Die gemütliche Wohnstube. Auf ihr Zimmer im ersten Stock. Noch eine Kurve, dann sieht man den Hof. Die Kühe auf der Weide und die Hühner, die gackernd über den Weg laufen, freute sie sich.
Hannes ging vom Gas und bog langsam um die Kurve. Annit beugte sich nach vorne, um alles genau sehen zu können, und stutzte. „Was ist denn hier passiert?“, murmelte sie halblaut vor sich hin.
Ursula drehte sich zu ihr um und legte eine Hand auf ihren Arm. „Ach Annit, es tut mir leid. Auf dem Hof hat sich einiges verändert. Wir mussten aus Geldnot viele Tiere verkaufen. Und Bares für Renovierungsarbeiten hatten wir auch nicht.“
Annit konnte den Blick nicht von dem Hof wenden. „Was ...?“
Hannes fuhr bis nach vorne, dann zog er geräuschvoll die Handbremse an. „Tja“, machte er. Seine Stimme klang bedrückt.
Ursula stieg aus und hielt
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