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Silbertod

Silbertod

Titel: Silbertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F E Higgins
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obdachlos waren und zwischen Dreckhaufen und Pfützen hausen mussten. Ab und zu wagte er sich sogar in den Flinken Finger und beobachtete aus dem Hintergrund seine Mitbürger, die sich dort von ihrer übelsten Seite zeigten.
    Anfangs lebte er ganz gut von seinem unrechtmäßig erworbenen Geld, doch ihm war klar, dass er irgendwann einregelmäßiges Einkommen brauchen würde. Aber womit sollte er das verdienen? Er entdeckte den Daily Chronicle von Urbs Umida , eine beliebte Zeitung, die wegen ihrer spektakulären Schlagzeilen, dem simplen Wortschatz und der großen Schrift eine breite Leserschaft hatte. Deodonatus schrieb einen Artikel über den Zustand der Gehwege (sie wurden immer wieder aufgegraben, damit Reparaturen an schlecht funktionierenden Wasserrohren durchgeführt werden konnten) und ließ ihn zum Zeitungsverlag bringen. Der Artikel wurde wohlwollend angenommen. Man fand Gefallen an Deodonatus’ empörtem Ton und seinem Sarkasmus, man verlangte mehr in dieser Richtung und er kam der Bitte prompt nach.
    Das war der Beginn von Deodonatus’ Karriere beim Chronicle .
    Er arbeitete bequem von seiner Unterkunft aus. Seine Vermieterin, selbst keine besondere Schönheit, war der Meinung, mit Geld ließe sich so gut wie alles kurieren, Abscheu eingeschlossen. Darum gab sie diesem Fremden gern ein großes Zimmer im obersten Stock des Hauses mit Blick über die Stadt. Viel mehr verlangte Deodonatus nicht und zum Glück für alle Beteiligten hielt er sich am liebsten in seiner eigenen Gesellschaft auf. So verbarg er sich während des Tages vor der Welt und wagte sich vor Sonnenuntergang kaum hinaus. Seine Artikel für die Zeitung ließ er durch den Sohn seiner Vermieterin abliefern, der für einen Penny Belohnung jeden Tag heraufkam, um sie abzuholen.
    Bei Nacht, wenn Deodonatus von seinen regelmäßigen nächtlichen Gängen zurückgekehrt war, setzte er sich an denKamin und las. Die Tage des Mr Scheusal schienen weit weg, und ab und zu überkam ihn ein seltsames Gefühl, das er nicht einordnen konnte. Vielleicht war es ein Hauch von Glück.
    Er fühlte sich nun sicher inmitten der Dinge, die ihm wichtig waren, nämlich seiner Bücher. Jederzeit konnte er sich aus dem bedrückenden Alltagsleben der Stadt in die Buchseiten flüchten. In beschaulicheren Augenblicken saß er gern über den Texten der alten Philosophen, der römischen wie der griechischen, denn sie hatten einem Menschen in seiner Lage viel zu sagen. Eine besondere Vorliebe hegte Deodonatus für Märchen. Es kam ihm so vor, als würden in diesen Geschichten außergewöhnlich viele Wesen von ihrem hässlichen Aussehen erlöst und in wunderschöne Menschen verwandelt werden. Doch wenn er dann im grellen Tageslicht den Spiegel enthüllte, der ihn immer daran erinnern sollte, warum er hier war, zeigte ihm sein Abbild, wie weit sein Leben von einem Märchen entfernt war.
    Deshalb drehte er den Lampendocht herunter und verhängte den Spiegel, ließ aber die Fensterläden offen, damit er auf die Stadt schauen und ihren Geräuschen lauschen konnte. Er richtete sein Zimmer bequem ein und hielt es in Ordnung – bis auf seinen Schreibtisch. Der war übersät mit einer Fülle von Schreibutensilien – Papier, Federn und Tintenfässer –, außerdem lag immer Jonsens Wörterbuch bereit. An die Wand hatte er einige seiner zuletzt verfassten Artikel geheftet, von denen einer auf die Gefahren dahinrasender Pferde und Wagen hinwies. Die Schlagzeile hatte er besonders gut gefunden:
    Mörderisches Tempo
    führt zu Tumult im Matsch
    Während Juno an diesem Abend schlafend in ihrem Kräuterdunst lag und Pin sein bewegtes Leben in seinem Tagebuch festhielt, stand Deodonatus am Fenster und sah hinaus auf die weißen Dächer. Sie glitzerten im Mondlicht, das auftauchte und wieder verschwand und einen tiefen Kontrast zum Foedus bildete, dessen schwarzes Wasser das Licht gierig aufsog. Deodonatus war unruhig in diesen Tagen. Er ging im Zimmer auf und ab, murmelte vor sich hin und zwirbelte sein Haar zu Knoten. Eine halbe Stunde später trat er an seinen Schreibtisch, tauchte die Feder in die Tinte und begann, fieberhaft zu schreiben.

Kapitel 10

    Artikel aus dem
    Daily Chronicle
von Urbs Umida
    Unerfreuliche Vorgänge im Flinken Finger
    Von Deodonatus Snoad
    Verehrte Leser,
    es gibt wohl kaum einen Bürger dieser Stadt, der noch nichts von den neuesten Ereignissen gesehen oder wenigstens gehört hätte, die im Flinken Finger vor sich gehen, diesem verrufenen Wirtshaus auf

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