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Silbertod

Silbertod

Titel: Silbertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F E Higgins
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werden, und mehr bedurfte es nicht, um ihrer lebenslangen Treue sicher zu sein. Deodonatus dagegen verachtete seine Leserschaft.
    Ungeduldig zog er an einem Griff, der neben der Tür von der Decke hing, und von irgendwo im Haus kam das gedämpfte Bimmeln einer Glocke.
    Eine Minute später waren leichtfüßige Schritte auf der Treppe zu hören, dann ein Klopfen an der Tür. Deodonatus öffnete sie ein paar Zentimeter.
    »Habt Ihr was für mich, Mr Snoad?« Die Frage wurde von einem Gähnen begleitet. Es war schon spät am Abend.
    Deodonatus reichte die Papierrolle durch den Türspalt.
    »Für morgen, eh?«, sagte der Junge. »Wir freuen uns schon alle aufs Lesen!«
    »Mhmm«, grummelte Deodonatus und schloss die Tür.

Kapitel 11

    Trautes Heim
    P
in kniete auf dem Boden und goss vorsichtig ein wenig Wasser in die Kokosnussschalen, die er unter jedem Bettfuß platziert hatte. Es war die beste Möglichkeit, die er kannte, um Wanzen und Läuse von seiner Matratze fernzuhalten. Kaum dachte er an Ungeziefer, kam ihm Deodonatus Snoad in den Sinn. Er hatte seinen neuesten Artikel im Chronicle gelesen.
    Dieser schäbige Kakerlak, dachte Pin giftig. Was fällt ihm ein! Schon wieder diese Andeutung, mein Vater könnte der Silberapfel-Mörder sein. Reichte es nicht, dass er in den Wochen nach Fabian Merdegraves Ermordung täglich über Oscar Carpues mutmaßliche Rolle bei dessen Tod geschrieben hatte? Dass er ihn Tag für Tag verleumdet und ihn des Mordes beschuldigt hatte? Ohne den geringsten Beweis! Abwesenheit ist doch nicht dasselbe wie Schuld, dachte Pin. Er ballte die Fäuste und knirschte mit den Zähnen. Um die Wahrheit scherte sich Deodonatus wenig. »Der Mann steht tiefer als ein Mistkäfer. Wenn ich ihm je begegne, dann … dann …« Es war ein Satz, den er immer wieder unterschiedlich beendete, gewöhnlich aber kam eine Gewalttätigkeit darin vor.
    Mit einem erschöpften Seufzer legte sich Pin auf sein Bett. Er lag nicht lange. Die Matratze fühlte sich an, als wäre sie nicht viel dicker als ein Strohhalm, und die Bretter darunter waren hart wie Stein. Barton Gumbroot gehörte nicht zu den Hausbesitzern, die sich jemals Gedanken um die Bequemlichkeit ihrer Mieter machten. Pin musste es schon als Vergünstigung ansehen, dass er überhaupt ein Bett hatte; in den meisten Zimmern lagen die Matratzen direkt auf dem Boden.
    Die rätselhafte Begegnung in der Cella Moribundi konnte er noch jetzt, Tage danach, nicht aus den Gedanken verbannen – und auch nicht aus der Nase. Der Duft von Wermut und Myrrhe hing noch in seinem Hemd und erinnerte ihn ständig an diese unheimliche Nacht.
    Mr Gaufridus war, auch wenn er es nicht zeigen konnte, auf seine Weise ein feinfühliger Mensch, und als er Pin am Morgen nach seinem Erlebnis mit der armen Sybil sah, wusste er sofort, dass etwas geschehen sein musste. Pin schien ganz und gar nicht bei der Sache, zog übertrieben fest an Zehen und stach tiefer als nötig in Fußsohlen. Abgesehen von Pins unausgeglichenem Arbeitseifer deuteten auch das aufgebrochene Türschloss und die Fußspuren in der Cella Moribundi darauf hin, dass außer dem Jungen und einer Leiche noch jemand hier gewesen sein musste.
    »Möchtest du mir vielleicht etwas sagen?«, fragte Mr Gaufridus.
    Pin war nicht der beste Verstellungskünstler. Unter Mr Gaufridus’ starrem Blick erzählte er die ganze Geschichte, und es war ihm eine Erleichterung, sie loszuwerden.
    »Es war alles wie ein Traum«, schloss er. »Ich weiß nicht, ob es überhaupt passiert ist, ich war ja auch halb betäubt. Ganz bestimmt bin ich das Opfer eines raffinierten Zauberkünstlers geworden. Denn was ich da gesehen habe, ist einfach unmöglich.«
    Der nüchterne Mr Gaufridus war der gleichen Meinung. Er verstand Pins Verstörtheit durchaus – schließlich hatte man den Jungen bewusstlos gemacht –, und dass Sybil eine kurze Unterbrechung ihrer ewigen Ruhe erfahren haben sollte, ließ sich natürlich nicht beweisen. Ihre Leiche wurde an diesem Vormittag zum Friedhof gebracht, und als Mr Gaufridus die Tür hinter den Sargträgern schloss, senkte Pin den Kopf und krampfte die Zehen in seinen schäbigen Stiefeln zusammen.
    »Ich hätte die Einbrecher hören müssen! Ich hätte sie aufhalten müssen«, sagte er unglücklich. »Wollt Ihr mich trotzdem weiter hier arbeiten lassen?«
    Mr Gaufridus räusperte sich lautstark. Wäre es ihm möglich gewesen, hätte er gelächelt. Er mochte den Jungen. Pin arbeitete schwer. Man konnte ihm für das,

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