Silent Control | Thriller
klemmte das Handy zwischen Schulter und Ohr. Gleichzeitig versuchte er, seinen Gegner mit einem anderen Programm zu analysieren. Vergeblich. Merkwürdig, dachte er, so gut kann niemand in der Firma sein.
Nach ein paar Freizeichen meldete sich Kilian.
»Hallo Torben, wolltest du nicht wieder reinkommen?«
»Wenn du vor dem Rechner sitzt, logg dich bitte bei Saicom ein«, sagte Torben ohne weitere Erklärung. »Es ist wichtig.«
»Spaßvogel. Ich bin längst drin und arbeite – im Gegensatz zu euch Pfeifen!«
Torben hatte keine Zeit, auf diese Provokation einzugehen. Er wusste, dass Kilian hinter Wallins stand, aber das hatte ihre Freundschaft bisher nie belastet. Nun taten sich Fronten auf, die Torben schmerzten. Zu unüberlegt, zu stromlinienförmig folgte Kilian seinem fragwürdigen Arbeitgeber, fast so wie seinem übermächtigen Vater.
Hastig schickte er ihm eine Mail mit einem kleinen Programm, das seinen eigenen Virus erkennen konnte.
»Öffne bitte das Programm und sag mir, was passiert. Ich habe meinem Angreifer einen guten Schnupfen geschickt, der seine Festplatte löscht. Hoffe nicht, das es der Server von Saicom ist.«
Torben sah sein eigenes Gesicht, das vom Bildschirm reflektiert wurde. Seine Augen brannten, er sehnte sich nach Schlaf. Durchs Handy hörte er das Klackern von Kilians Tastatur.
»Und?«
Kilians Stimme klang rau. »Was soll das Programm?«
»Vertrau mir, es ist nichts Gefährliches, nur ein Scanner. Ich will wissen, ob mich Wallins im Visier hat«, versuchte Torben, seinen Freund zu beruhigen.
Kilian und Torben waren seit Jahren zusammengewachsen. Ihre Gastsemester in Hamburg hatten sie noch fester zusammengeschweißt. Nächtelange Debatten über die theoretischen Inhalte ihres Politikstudiums ließen zwar die Unterschiede ihrer Herkunft deutlich werden, aber ihr Verhältnis war dennoch unbeschwert, da ihre Gegensätzlichkeit sich nicht auf ihr alltägliches Leben auswirkte. Die Mensa war die Mensa und der Campus der Campus, hier waren alle eins. Die Gegensätze zogen sich an, und der nächtliche Spaß in Bars und Diskotheken bescherte ihnen so manches Geheimnis, das sie miteinander teilten. Sie mochten sich einfach. Die Freundschaft ging so weit, dass beide gemeinsam entschieden, ins Informatikstudium nach Stockholm zu wechseln. Seither hatte Torben seine eigentliche Leidenschaft gefunden und überflügelte Kilian um Längen. Die Freundschaft ist geblieben, doch es mischt sich zunehmend Konkurrenzdenken ein, dachte Torben betrübt, während er durch den Hörer Kilian mit sich selbst reden und tippen hörte.
»Nichts, hier ist alles sauber. Sag mal, wollen wir nicht ein paar Bier trinken gehen? Ich hab das Gefühl, dass du von deinem Trip runterkommen musst. Du ziehst dich immer mehr zurück wegen dieses Scheißkriegs, der dir im Kopf rumspukt.«
»Machen wir, aber jetzt habe ich gerade ein anderes Problem. Irgendwer hat mich gehackt, und ich dachte, dass es vielleicht jemand aus der Firma war.«
»Bist du bescheuert? Warum sollte das jemand von uns tun? Mann, was ist los mit dir? Du tickst doch nicht mehr ganz regelmäßig. Keiner hier ist dein Feind und ich schon gar nicht!«
»Ja, ja, weiß ich doch. Ich vertraue einfach Wallins nicht mehr. Ist sonst bei euch alles sauber?«
»Alles clean, du Superhirn.« Kilian ergriff eine der seltenen Gelegenheiten, sich über Torben lustig zu machen. »Was ist los? Hat der King of Bits and Bytes einen schlechten Tag? Dass man ausgerechnet dich gehackt hat, kann ich fast nicht glauben!«
Torben nahm ein Lakritz und kaute so heftig darauf rum, als wollte er seinen unsichtbaren Feind zermalmen. Kilian wurde wieder sachlich. Wallins habe das Tempo erhöht, und er, Kilian komme mit dem Programm zum Schutz der Satelliten nicht weiter.
»Danke für den Support«, sagte Torben. »Wenn du Hilfe brauchst – ich bin morgen den ganzen Tag zu Hause. In die Firma setze ich keinen Fuß mehr, das verstehst du bestimmt.«
»Hast du denn gekündigt?«
Man konnte deutlich hören, wie verunsichert Kilian war.
»Noch nicht, aber mein Passwort ist gesperrt. Hat Wallins was gesagt?«
Es war klar, dass Kilian ihm bei seiner Arbeit nur vertrauen würde, solange er noch Angestellter von Saicom war.
»Ach, das hat nichts zu sagen«, wiegelte Kilian ab. »Wallins hat mal wieder alle Passwörter verändert. Nur Nova ist raus. Was sie gemacht hat, ist so sinnlos. Ich hoffe, du stellst dich nicht auch noch auf die falsche Seite.«
Torben zog eine
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