Silent Control | Thriller
hoch. Gerade, als er einen Chat öffnen wollte, sah er, wie der Cursor sich selbstständig machte und einige Programme startete.
Er hatte keine Kontrolle mehr über den Rechner, selbst die Tastatur war abgehängt.
»Das glaub ich nicht!« Wütend hackte er auf der Tastatur herum. Dass ihm das heute auch noch passieren musste! Es war, als würde ihm jemand mitten auf dem Grundschulhof vor den versammelten Mädchen die Hosen runterziehen.
Rasch fuhr er einen zweiten Rechner hoch, rollte mit seinem Stuhl zum nächsten und nächsten Rechner, dann wieder zurück. Er kappte die Verbindungen.
»Kommt schon, kommt schon, fahrt hoch!«
In Windeseile aktivierte er einige Programme. Ein Fenster nach dem anderen öffnete sich, Kolonnen von Zahlen und Buchstaben rasten über die Monitore. Torben tippte mit geisterhafter Geschwindigkeit Befehle ein und wiederholte die Prozedur an zwei weiteren Rechnern.
»Ich krieg dich. Ich krieg dich, wer immer du bist.« Schweißperlen standen auf seiner Stirn. »Na komm schon, gleich hab ich dich.«
Das war kein Virus oder Trojaner. Das war ein direkter Angriff. Doch wie konnte das so schnell nach dem Hochfahren passieren?
Ich bin gerüstet für dich, ermunterte sich Torben. Er hatte jetzt keine Angst mehr. Ganz im Gegenteil, das war ein Kick, den er schon lange nicht mehr gespürt hatte. Der Kick eines Duells auf Augenhöhe. Als ob er nur darauf gelauert hätte, nahm er den Kampf mit seinem unbekannten Gegner auf.
Seine Hände flogen über die Tastatur. Er musste das Programm umgehen, das die IP-Adresse seines Angreifers schützte. Doch nichts funktionierte. Plötzlich stoppten die Zahlenkolonnen. Hatte der Angreifer aufgegeben?
»Du Feigling! Hast gecheckt, wer hier der Herr im Haus ist, was?«
Er lehnte sich zurück. In den vergangenen Jahren hatte er seine Fähigkeiten immer weiter ausgebaut. Niemand aus der Szene kannte sich mit den Algorithmen von Computerviren so gut aus wie er. Das hatte er schon festgestellt. Entdeckte er ein Virus, dachte er sich etwas Besseres aus, das den Angreifer durch das Netz jagte und zerstörte. Keine Sicherheitslücke von Betriebssystemen und Firewalls entging ihm. In der Firma versammelten sich regelmäßig alle um ihn, wenn es um die Analyse eines neuen Schädlings ging. Als wäre er der legendäre Neo aus dem Film Matrix. Nur sein Kung-Fu fand jetzt auf der Tastatur statt, und er bekam gerade von seinem virtuellen Gegner mächtig eins auf die Klappe.
Torben fuhr den attackierten Rechner wieder hoch und wartete kurz. Spygate hatte er auf seinem Robinson-Rechner abgelegt. Dieser Rechner ging nie ans Netz. Das war der einzige Weg, um sensible Daten zu schützen, das war so, und das würde auch so bleiben. Hätten das alle beim Aufbau der schönen neuen digitalen Welt beachtet, wäre die Lage nicht so prekär, aber all die Warnungen früherer Hacker wurden geflissentlich ignoriert. Während er noch darüber nachdachte, sah er, wie der Hack wieder losging. Innerhalb von Sekunden wurde seine Festplatte durchsucht.
»Hey, hey, hey, woher hast du dieses Tempo? Okay, mach ruhig weiter, mein Junge, du kriegst hier gar nichts. Nur das hier!«
Torben schob ein Programm mitten in einen Datenfluss, dessen Zahlen sich daraufhin auflösten und ein Totenkopfsymbol bildeten. Er lachte laut auf und schlug sich auf die Schenkel, wie ein Trottel, der einen doppelbödigen Witz verstanden hatte. Zu gerne hätte er das Gesicht auf der anderen Seite gesehen. Das Einzige, was sich der Angreifer geholt hatte, war eine mächtige Klatsche.
Doch schon in der nächsten Sekunde dräute neues Unheil. Der Totenkopf fiel in sich zusammen, und es formte sich ein Satz auf dem Schirm:
Wir kennen eure Pläne!
Weitere Sätze folgten, die ihn wie Fausthiebe trafen.
Wir haben euch gewarnt. Wir werden euch verfolgen und entlarven. Das ist erst der Anfang. Wir werden unsere Rechte verteidigen. Wir sind Anonymous, wir sind alle, wir vergessen nichts, wir vergeben nichts, rechnet mit uns!
Das konnte nicht sein. Oder war gar nicht er persönlich gemeint? Kam der Angriff von Saicom? Oder kam er wegen Saicom? Schließlich war Saicom ein erklärter Feind der Hacker.
Er rutschte nach vorne zur Tastatur und versuchte, sich bei Saicom einzuloggen. Abgelehnt? Er hatte doch die Kündigung noch gar nicht abgegeben. Sich dort einzuhacken würde jetzt zu lange dauern. Nur Kilian konnte ihm helfen. Es war später Nachmittag, aber sicher wäre er noch im Büro. Torben wählte Kilians Nummer und
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