Silentium
aufgetaucht ist, hätte er fast seinen Wunsch vergessen, sprich Ohrenfriede. Weil Notapothekerin Augenweide, daß es ihm regelrecht die Sprache verschlagen hat.
Irgendwie muß er sich dann aber doch verständlich gemacht haben, sonst hätte er nicht in diesem wunderbaren Privatsilentium bis in den Vormittag hinein schlafen können.
Aber im Leben immer wieder interessant: Der eine schläft, der andere spielt Tischfußball. Der Tischfußballtisch ist im Keller gleich vor der abgesperrten Tür gestanden, wo es früher zu den Duschen hinüber gegangen ist. Und seinerzeit ist der Spiritual Schorn mit dem kleinen Gottlieb während der Sonntagsmesse zu den Duschen hinunter, und jetzt war es wieder während der Sonntagsmesse, und wieder hat es sich beim Tischfußballtisch abgespielt. Aber dieses Mal genau umgekehrt. Weil damals hat der Spiritual die Verbindungstür zum Duschtrakt aufgesperrt, aber der Fußballtisch war verwaist. Und heute die Verbindungstür versperrt, aber am Fußballtisch Hochbetrieb.
Weil die Jugend immer Hang zum Risiko. Und Sonntagsmesse-Schwänzen höchste Risikostufe im Marianum. Einmal erwischt, und du bist aus dem Internat geflogen, Vogerl nichts dagegen. Da hat es keine Diskussion und kein gar nichts gegeben. Der Regens hat gesagt, es kann nicht sein, daß jemand das Marianum besucht, das als kleines Priesterseminar den Priesternachwuchs heranbilden soll, das von den Spendengeldern der Gläubigen unterstützt wird, und einer lebt hier und will nicht einmal den Tag des Herrn heiligen. Weil der junge Regens immer ein bißchen schlechtes Gewissen, daß sie den ärmsten Rentnerinnen das Geld aus der Tasche gezogen haben, sprich Spendenzahlschein, darum hat er das bei jeder Gelegenheit erwähnt.
Jetzt natürlich große Frage, warum die beiden Tischfußballer trotzdem dieses Risiko eingegangen sind. Daß sie ein paar Tage vor Schulschluß noch aus dem Internat fliegen und daheim hinter den sieben Bergen Berufsträume aus und vorbei, und statt weltberühmter Gynäkologe nur Bergführer-Schilehrer, der jeden Tag für eine andere deutsche Sextouristin das Bett wärmen muß.
Warum macht ein junger Mensch so eine Dummheit, ich werde es mein Lebtag nicht verstehen. Oder sagen wir einmal so, bis zu einem gewissen Grad kann ich es schon verstehen, weil Tischfußball natürlich wunderbares Spiel. Und der Unterhauser und der Franz sind in die zweite Klasse gegangen, also beide zwölf Jahre alt, und das ist natürlich ein Alter, wo im Menschen das Interesse am Tischfußball erwacht.
Nicht daß du glaubst, Vorname Franz, sondern Sebastian Franz, im Internat haben sich die Buben ja nur mit dem Nachnamen angeredet, weil Vorname vielleicht eine Spur zu mädchenhaft. Der Franz hat rote Haare gehabt, und das ist jetzt ein bißchen schwierig, er hat nicht mit den roten Männern gespielt, sondern mit den blauen. Der Unterhauser mit den roten, und Haarfarbe der Unterhauser eigentlich gar keine, weil Stoppelfrisur bis zur Unkenntlichkeit der Haarfarbe.
Der Franz hat mit den blauen Männern die Kellerstiege im Rücken gehabt. Deshalb immer das unbestimmte Gefühl im Rücken, daß womöglich gerade ein Präfekt über die Kellerstiege herabschwebt. Dagegen hat der Unterhauser immerhin gewußt, daß die Verbindungstür in seinem Rücken abgesperrt war, und wenn von oben ein Präfekt gekommen wäre, hätte er ihn sofort gesehen. Genützt hat es ihm dann im Endeffekt natürlich auch nichts.
Jetzt was ist so schön am Tischfußball, daß ein Schüler dafür ein derartiges Risiko in Kauf nimmt? Das Schöne am Tischfußball ist der Knall, wenn man die Kugel ins Tor pfeffert. Und wie jetzt der Franz die Kugel mit dem blauen Tormann in seiner linken Hand unter Kontrolle gebracht hat und dann die Tormannstange losgelassen und sich mit dem linken Ellbogen auf die Tischumrahmung hinter seinem Tormann gelehnt und mit der rechten nach der Tormannstange gegriffen und das rechte Aug zugekniffen und mit dem linken Maß genommen hat, ist auf einmal ein Zucken durch seinen blauen Tormann gegangen, daß die Kugel wie der Blitz zuerst an seinen blauen Verteidigern und dann an den roten Stürmern und dann an seinen blauen Mittelfeldspielern und dann an den roten Mittelfeldspielern und dann an seinen blauen Stürmern und dann an der russischen Abwehr der roten Unterhauser-Männchen vorbeigezogen ist und hinter dem Unterhauser-Tormann eingeschlagen hat mit einem Halleluja! Mit einem Halleluja! Mit einem dreifachen Hallelujascheppern! Daß die
Weitere Kostenlose Bücher