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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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»Um ehrlich zu sein, so habe ich den größten Teil unserer Ausrüstung beschafft. Aber dieses Ding ist verdammt nützlich. In den meisten Vaudevillevorstellungen kommen und gehen die Leute während der ganzen Vorstellung, wie es ihnen gefällt. Aber das hier hält sie auf ihren Sitzen fest, zumindest während der Eröffnungsnummer.« Er steckte sich die Zigarre wieder in den Mund und trat in die Bühnenmitte. »Such dir einen Platz, Junge. Ich werde eine Vorstellung für dich geben. Es ist einfacher, das in bildhafter Form zu erklären, weißt du.«
    Zögernd wandte sich George von dem wabernden Bild ab und setzte sich in die erste Reihe. Stanley kam ebenfalls herunter und setzte sich ein paar Sitze weiter, aber Silenus blieb auf der Bühne und sagte: »Ich werde dir nun eine Geschichte erzählen, Junge. Und wie die meisten Geschichten ist auch diese in gewisser Weise unzureichend. Sie ist eine Interpretation, also kann sie nicht exakt sein. Aber es wird genügen.«
    »Gut«, nickte George.
    Silenus sah sich zu der Kulisse um. »Sie beginnt mit: ›Am Anfang‹«, sagte er.
    Das war offenkundig eine Art Signal, denn Stanley dämpfte das Licht seiner Lampe, und die Kulisse färbte sich undurchdringlich schwarz. Silenus räusperte sich, nahm eine theatralische Haltung ein und sprach:
    »Am Anfang war nichts. Es gab keine Sonnen, keine Sterne, keine Länder, keine Meere und keine Himmel.« Seine Stimme hallte durch das Theater und erzeugte einen schrägen Nachhall, der George den Eindruck vermittelte, er wäre ihm sehr viel näher. »Nichts lebte, denn es gab nichts, worauf Leben hätte gedeihen können. Es gab keine Zeit, denn es gab nichts, das sie durchwandeln konnte. Da war nur das Nichts, ein endloser, unermesslicher Abgrund.
    Doch dann erschien der Schöpfer, und all das änderte sich«, sagte Silenus.
    Da zersprang das Bild purer Schwärze, als hätte jemand einen Baseball mitten durch eine Glasscheibe geworfen, und dahinter kam ein weiteres Bild in strahlendem Weiß zum Vorschein. Ein machtvolles Brüllen unzähliger Stimmen, die einige zornige Noten sangen, erscholl und senkte sich gleich darauf zu einem Summen. George konnte nicht erkennen, wo die Stimmen herkamen – vielleicht aus der Kulisse selbst? –, aber ehe er noch weiter darüber nachdenken konnte, veränderte sich das Bild erneut: Die Scherben der Finsternis schwebten aus der Mitte heraus, bis eine reinweiße Fläche übrig blieb, die von einem zerklüfteten schwarzen Rand umgeben war.
    »Der Schöpfer durchbrach die Finsternis und beschloss, dass, zum ersten Mal, etwas SEIN sollte«, berichtete Silenus. »Inmitten dieses Ozeans des unendlichen Nichts sollte etwas existieren. Und in diesem kleinen Tümpel der Existenz eine Welt. Und so sang der Schöpfer die Welt.«
    Das Summen wurde zu Gesang, einem sehr leisen, eigentümlichen Gesang. Irgendwie kam er George klanglos vor. Er konnte weder Dur noch Moll wahrnehmen. Doch während die Stimmen sangen, erschien etwas in der Mitte der weißen Fläche: ein brauner Punkt, wie ein Farbtupfer von einem unsichtbaren Pinsel. Der Tupfer wurde zu einem Streifen, der einen Kreis auf der weißen Fläche bildete, und dann fing der unsichtbare Pinsel an, den Kreis mit Formen zu füllen, die aussahen wie Berge und Küsten und ausgedehnte Ebenen. Das alles sah kunstlos und plump aus, ganz ähnlich wie etwas, das man an der Wand einer Höhle finden mochte, doch besitzen solch einfache Bilder eine beachtliche Ausdruckskraft.
    »Der Schöpfer sang von Himmeln und Meeren, von Bergen und Tälern, von Wasser und Regen und dem Kuss der Sonne. Er sang von der langsamen Liebkosung der Zeit, vom Plätschern der Wellen und dem Tanz des Lichts, von Flammen und Eis und Winden und Flüssen.«
    Der Gesang veränderte sich, und weitere Formen tauchten in der kleinen braunen Welt auf: ausgedehnte blaue Meere und winzige Bäche, kleine Stürme, die anschwollen und abflauten, während sie über die Kontinente zogen. Mit Tausenden von Regungen, Kräften, Zwängen und Reaktionen, die über ihre Oberfläche huschten, erwachte die Welt zum Leben.
    »Dann sang der Schöpfer von den Dingen, die in dieser Welt existieren und wachsen sollten«, fuhr Silenus fort. »Er sang von den Gräsern und Bäumen, von den Moosen und Algen. Er sang von Seetang und Ranken und unzähligen Früchten und anderen kleinen grünen Dingen, die sich dem Licht entgegenstrecken und schieres Wasser trinken sollten.«
    Der Gesang wurde intensiver, und grüne Flecken

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