Silver - Erbe der Nacht (German Edition)
ihm ihr Blut geschenkt hatte. Sie waren miteinander verbunden und würden es für immer sein. Sie brauchte ihn nicht anzusehen, um zu wissen, wie sehr ihn ihre Worte getroffen hatten.
Winter überquerte langsam den Campus und kehrte ins Klassenzimmer zurück. Sie warf einen zerstreuten Blick auf das Footballfeld und für einen Moment traten die Umrisse des Klubhauses der Nox in ihr Gesichtsfeld.
Die St Dewi’s sah aus wie immer: Vampire und Menschen, vereint durch die gemeinsame Schuluniform und dennoch getrennt durch eine unsichtbare Grenze.
Und dann gab es noch sie, Winter, die beide Wesen in sich vereinte. Und die in einem allzu labilen Gleichgewicht genau auf dieser Grenze balancierte.
A ls sie in der Mittagspause wieder ins Freie trat, begannen ihre Augen sofort zu brennen. Sie musste sie mit der Hand abschirmen, um die anderen sehen zu können.
Als Ersten erkannte sie Trevor Biven, der auf dem Rasen trainierte und dabei laut zählte, wie oft sein Fuß den Ball in die Luft kickte.
Eleri und Gareth, die beiden ältesten Kinder der Familie Chiplin, saßen gleich neben dem Schussfeld, die blonden Schöpfe so nah beieinander, dass ihre Haare sich verfingen. Vor ihnen lag eine aufgeschlagene Zeitung, die offenbar ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich zog.
Sicher lauter gute Nachrichten , dachte Winter und näherte sich lustlos. Wie üblich .
Kaum fiel ihr Schatten auf die offene Seite, schloss Eleri die Zeitung rasch.
»Hallo, Win«, begrüßte sie ihre Freundin mit einem breiten Lächeln. Mit ihren himmelblauen Augen und dem kindlichen Gesicht war sie ein Bild der Unschuld.
Winter war ihr dankbar für den Versuch, ihr neue Beunruhigungen zu ersparen. Sie setzte sich vor die beiden hin und umfasste ihre Knie.
Gareth begrüßte sie mit einer kurzen Handbewegung und fixierte sie dabei einen Moment länger als nötig.
»Meine Augen brennen ein bisschen«, erklärte das Mädchen widerstrebend.
Er nickte. Wahrscheinlich fragte er sich, ob sie geweint hatte, doch inzwischen kannten die beiden sie gut genug, um zu wissen, dass sie nicht in sie dringen sollten. »Zu Hause müssten wir noch Augentropfen haben«, meinte er nur und streckte die Beine aus.
Er hatte den Krawattenknoten gelockert und die Hemdsärmel aufgerollt, sodass seine nackten Arme sichtbar waren. Gareth schaffte es immer, absolut entspannt zu wirken, doch Winter wusste, dass Momente wie dieser, in denen die Anwesenheit Trevors und der anderen Schüler sie zwang, alles beiseitezuschieben, was die Familien und die Vampire betraf, für ihn einen ganz speziellen Beigeschmack hatten.
Schließlich lächelte sie ihm zu. Wie immer.
»Wie war der Vormittag?«, fragte sie leichthin.
Gareth zuckte mit den Schultern. »Nichts Besonderes … Die Folter beginnt erst nächste Woche. Jeden Tag eine Klassenarbeit.«
»Da wirst sogar du etwas Zeit finden müssen, um zu lernen«, spöttelte Eleri.
»Keine Zeit. Ich muss die Ferien planen.«
In dem Moment schlug ein Ball unmittelbar neben ihnen auf, gefolgt von Trevor.
»Ganz richtig, Gareth«, meinte der Junge. »Dieses Jahr verreisen wir mit Interrail!«
»Unter der Bedingung, dass du dieses dämliche T-Shirt nicht einpackst …«
Trevor schaute an sich herunter auf das S von Superman, das auf seinem ausgewaschenen blauen T-Shirt prangte. Zusammen mit dem giftgrünen Bart-Simpson-Shirt war es sein Lieblings-T-Shirt.
»Das sagt der Richtige! Du hast doch dasselbe im Schrank«, erwiderte er genervt.
Gareth grinste. »Im Schrank, ja. Und mit Sicherheit wird es auf keinem Urlaubsfoto zu sehen sein.«
Trevor ließ sich nicht ablenken. »Ich werde unserem Freund hier ganz Europa zeigen. Das wird großartig!«
»Ich habe noch nicht zugesagt, Trev«, protestierte Gareth, während sein Blick ganz kurz den von Winter auffing.
»Ach, komm schon! Du willst doch nicht etwa auch diesen Sommer in Llandudno verbringen? Meine Großeltern fahren nach Llandudno. Und die finden es toll. Aber es sind … Großeltern !«
Trevor wandte sich verzweifelt an die Mädchen, auf der Suche nach Unterstützung.
»Wir fahren nicht nach Llandudno«, erwiderte Eleri kopfschüttelnd, und ihr Pferdeschwanz flog hin und her. »Sondern nach Porthcawl.«
Trevor zog es vor, sie zu ignorieren. »Und du, Win? Du fährst mit uns, nicht wahr?«
Winter hob die Schultern. »Ehrlich gesagt, kehre ich nach London zurück. Meine Großmutter ist aus dem Krankenhaus entlassen worden und ich war praktisch seit August nicht mehr zu Hause.«
Trevor
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